Gedenken und Mahnung

Heute jährt sich zum 74. Mal ein Kriegsverbrechen, das immer noch ungesühnt ist, und das eine neue Ära in der Waffentechnik begründete: die Zerstörung von Hiroshima durch eine Atombombe der USA. Durch die Forschungsarbeit einer Gruppe von Wissenschaftlern, die zumeist politische Immigranten waren und die sich und ihr Wissen in den Dienst der USA gestellt hatten, war es gelungen, einen Atomkern zu spalten, und auch die riesige Zerstörungskraft zu entdecken, die mit der Spaltung einherging.

Intensive Entwicklungstätigkeit führte schließlich dazu, daß die USA als erster Staat in der Lage waren, eine Atombombe zu konstruieren und einzusetzen. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der Zweite Weltkrieg in Europa bereits beendet, und USA-Präsident Harry Truman erhielt die Nachricht über die Einsatzbereitschaft des »Großen Knüppels« in Potsdam, mitten während der Verhandlungen der Siegermächte über die Nachkriegsordnung in Europa.

Auch der Krieg im Pazifik gegen Japan stand kurz vor dem Ende. Gemäß früheren Vereinbarungen bereitete sich die Sowjetunion darauf vor, exakt drei Monate nach dem Ende des Krieges in Europa an der Seite der USA in den Krieg gegen Japan einzutreten. Die offizielle Kriegserklärung erfolgte gleichzeitig mit einem massiven Vormarsch auf dem asiatischen Festland am 8. August 1945. Über diese Planung war Präsident Truman voll im Bilde, als er in Potsdam gegenüber Churchill und kurz darauf im Gespräch mit Stalin den Einsatz einer großen Waffe durchblicken ließ, offensichtlich mit dem Ziel, den USA eine stärkere Position bei den Verhandlungen und in der daraus entstehenden Nachkriegsordnung zu verschaffen.

Der Angriff mit der ersten Atombombe erfolgte am frühen Morgen des 6. August, also zwei Tage vor dem vereinbarten Kriegseintritt der Sowjetunion, auf die japanische Stadt Hiroshima. Die Stadt hatte faktisch keinerlei Bedeutung für den Kriegsverlauf, es gab weder wichtige Rüstungsfabriken noch einen bedeutenden Verkehrsknotenpunkt. Die Militärs hatten Hiroshima aufgrund der Lage der Stadt ausgesucht, weil sich die Wirkung der Zerstörungen durch die Atombombe dort günstig beobachten ließ. Drei Tage später, am 9. August 1945, also einen Tag nach dem Kriegseintritt der Sowjetunion, wurde eine zweite Bombe über Nagasaki abgeworfen, ebenfalls eine Stadt ohne wesentliche Bedeutung für den Verlauf des Krieges.

Die genaue Zahl der Toten und Verletzten durch die beiden Bombenabwürfe konnte nie genau ermittelt werden, auch die Zahl derer, die noch Jahrzehnte später an den Folgen der Bomben starben oder an unheilbaren Verstümmelungen und Krankheiten zu leiden hatten, ist nicht vollständig verfügbar.

Bis heute hält sich die Lüge, der Einsatz der Bomben habe zur Kapitulation des kaiserlichen Japan geführt. Diese Behauptung wird Jahr für Jahr zu den Jahrestagen wiederholt. Tatsächlich war es der mutige und opferreiche Kampf Zehntausender Soldaten der USA, ihrer Alliierten und der Sowjetarmee, der Japan am 15. August zur bedingungslosen Kapitulation zwang – zu diesem Zeitpunkt hatten sowjetische Truppen bereits die gesamte koreanische Halbinsel von den japanischen Besatzern befreit.

Die historische Wahrheit und die Opfer der militärisch sinnlosen Bombenabwürfe müssen auch heute Anlaß zum Gedenken sein – und zur Mahnung, endlich Ernst zu machen mit dem Verbot und der Abschaffung aller Atomwaffen, wer auch immer in deren Besitz ist.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek