DGB: Politisches Engagement muss auch für gemeinnützige Vereine möglich sein

DGBNach attac und Campact soll nun auch der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Bei attac und Campact ist der Hintergrund ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus Februar 2019 gegen den attac-Trägerverein. Die »Verfolgung politischer Zwecke« sei »im Steuerrecht nicht gemeinnützig«, heißt es beim BFH. Diese Entwicklung »erfüllt uns mit Sorge«, schreibt der DGB in einem Brief an das Bundesfinanzministerium.

Für den DGB ist klar: Eine lebendige Demokratie braucht eine aktive Zivilgesellschaft. »Auch der zivilgesellschaftliche Protest ist unverzichtbarer Teil einer demokratischen Gesellschaft. Die wesentlichen Errungenschaften unserer modernen Demokratie – Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen, Diskriminierungsverbot – verdanken wir auch den Protesten und sozialen Bewegungen der Vergangenheit. Deshalb lehnen wir jede Einschränkung des Gemeinnützigkeitsrechtes ab, die darauf hinausliefe nur noch dann gesichert als gemeinnützig anerkannt werden zu können, wenn das Engagement eines Vereins oder einer Organisation nicht über kleinräumiges ehrenamtliches oder karitatives Engagement hinausreicht«, so der DGB in seinem Schreiben ans Bundesfinanzministerium nach dem attac-Urteil des BFH.

In seinem Urteil zu attac hatte der BFH im Februar 2019 entschieden, der attac-Trägerverein sei im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit nicht berechtigt, »Forderungen zur Tagespolitik bei ›Kampagnen‹ zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen«. Dabei nannte der BFH unter anderem das Engagement von attac für eine Finanztransaktionssteuer. Eine Tätigkeit »die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen« sei »nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig«.

Anders gelagert ist der Fall bei der VVN-BdA: Das Berliner Finanzamt für Körperschaften hat der VVN-BdA Anfang November die Gemeinnützigkeit entzogen und gleichzeitig eine Steuernachforderung in fünfstelliger Höhe gestellt. Diesen Betrag soll die VVN-BdA noch in diesem Jahr zahlen. Das Berliner Finanzamt beruft sich bei seiner Entscheidung auf die Nennung der VVN-BdA im bayerischen Verfassungsschutzbericht. »Das Finanzamt Berlin handelt damit anders, als das Finanzamt Oberhausen-Süd, das der Landesvereinigung NRW die Gemeinnützigkeit am 22. Oktober gewährt hat«, heißt es dazu bei der VVN-BdA.

Die Auschwitz-Überlebende, Sängerin und VVN-BdA-Ehrenvorsitzende Esther Bejarano, die immer wieder auch auf gewerkschaftlichen Veranstaltungen auftritt und über den Holocaust aufklärt, hat inzwischen einen Offenen Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz geschrieben und gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit protestiert.

Quelle: DGB / RedGlobe