Offener Brief an die Bayerische Staatsregierung

Offener Brief an

Frau Ilse Aigner, Präsidentin des Bayerischen Landtags
Dr. Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident
Peter Küspert, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs
Karl Freller, Direktor Stiftung Bayerische Gedenkstätten,

Betreff: „Nie wieder“ – Worte des Gedenkens anlässlich 75 Jahre Befreiung der bayerischen Konzentrationslagers

Wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), haben Ihre Worte des Bedauerns über die Absage der geplanten Feierlichkeiten anlässlich der Befreiung der Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen. Wir versichern Ihnen, auch unsere Herzen sind schwer.

Ihr Text geht unter der Losung „Nie wieder“ von der gemeinsamen Grundüberzeugung aller antifaschistischen und demokratischen Kräfte der Gesellschaft aus, dass es nicht ausreicht, allein der Opfer und Verfolgten zu gedenken. Die Erinnerung muss verbunden sein mit einem aktiven Einsatz gegen alle Bedrohungen der Demokratie und Freiheitsrechte, wie sie in der NS-Herrschaft in schlimmster Form praktiziert wurden.
Seit ihrer Gründung 1947 setzt sich die VVN gegen die noch immer weit verbreiteten Denkmuster der Nazi-Ideologie: Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Sexismus, Homophobie und andere Formen von Diskriminierung ein. Viele Jahrzehnte sind Überlebende der Konzentrationslager, Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung aus unserer Organisation an Schulen gegangen, haben mit Jugendlichen geredet und in der Öffentlichkeit immer wieder dafür gestritten, dass die Erinnerung an die Verbrechen der deutschen Faschisten nicht verblassen. Unsere Mitglieder, unter ihnen Ernst Grube, sind dafür mit hohen gesellschaftlichen Auszeichnungen geehrt worden.
Seit ihrer Gründung ist unsere Vereinigung für die Entschädigung der Opfer, die Bestrafung der Täter, das Verbot aller Nazi-Organisationen und die Ächtung ihrer Ideologie eingetreten. Leider sind alle diese Ziele noch immer nicht erfüllte Aufgaben, die für Antifaschist*innen jeder Herkunft selbstverständlich sein sollten.

Statt jedoch das Engagement unserer Organisation und ihrer Mitglieder aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung angemessen zu würdigen, wird unsere bayerische Landesvereinigung nach wie vor vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet und in dessen jährlichen Berichten als „linksextremistisch beeinflusst“ aufgeführt. Wichtige antifaschistische Arbeit gegen Hetze, Diskriminierung und Geschichtsrevisionismus wird damit diskreditiert. Auf Grundlage dieser Berichte wurde der VVN-BdA in Bayern und nun auch der Bundesvereinigung die Anerkennung als „gemeinnützig“ versagt. Bewerber*innen für den Staatsdienst wird die Mitgliedschaft in unserer Vereinigung zum Nachteil ausgelegt, Einbürgerungen werden in Frage gestellt.

Deshalb fordern wir: Schluss mit der Beobachtung der VVN-BdA durch den Verfassungsschutz, Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben! Setzen Sie ein Zeichen und führen Sie den 8. Mai als arbeitsfreien Feiertag in Bayern ein, damit dieser Tag künftig nicht nur der historischen Erinnerung, sondern auch der aktiven Verteidigung der Demokratie gewidmet ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Holz

Cornelia Kerth

Quelle:

VVN-BdA