Faschismus und Neofaschimus in Hessen

In diesem Jahr feiern wir 75 Jahre Befreiung vom Faschismus.

In Deutschland empfanden vor allem die Überlebenden des Holocaust, der Konzentrationslager, der Zuchthäuser und die befreiten Zwangsarbeiter den 8. Mai als den lang ersehnten Tag der Befreiung. Aber auch wir alle, die wir heute leben, verdanken die Chance eines Lebens in Frieden und Freiheit den alliierten Streitkräften. Die Rote Armee und die sowjetische Bevölkerung hatten die größte Last des Krieges zu tragen. Mit besonderer Dankbarkeit erinnern wir an die Soldaten der Roten Armee, die gemeinsam mit polnischen Kombattanten Berlin befreiten. Unvergessen bleibt auch der Beitrag, den der deutsche antifaschistische Widerstand in Deutschland, in der Emigration, in Partisanenverbänden und in den Streitkräften der Antihitlerkoalition geleistet hat.

Aber auch 75 Jahre nach der Befreiung ist die faschistische Gefahr nicht endgültig gebannt. In allen Ländern der BRD häufen sich faschistische Terroranschläge, es gibt faschistische Netzwerke in Polizei und Militär, während Antifaschisten kriminalisiert und Datenbestände über Faschisten von den staatlichen Behörden gelöscht oder gesperrt werden.

Zum Beispiel Hessen: Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die Opfer und Angehörige im NSU-Prozess vertreten hatte, hat in den letzten zwei Jahren zahlreiche mit „NSU 2.0“ unterschriebene Drohbriefe erhalten, die offensichtlich aus einer Frankfurter Polizeistation stammten.

Gegen Stephan Ernst, dem Hauptverdächtigen im Mordfall Walter Lübcke, wurde nun Anklage erhoben. Ernst war schon 1993 wegen eines versuchten Rohrbombenanschlags auf eine Unterkunft für Asylsuchende verurteilt worden. Im Jahr 2009 hatte er zusammen mit anderen Faschisten die Dortmunder Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai angegriffen. Auch zu Aktivisten von „Combat 18“, dem bewaffneten Arm des Netzwerks „Blood and Honour“ soll er Kontakt gehabt haben.
Aus dem rassistischen Massaker in Hanau, bei dem Tobias Rathjen im Februar neun Menschen in Shisha-Bars erschoss, wurden keine Konsequenzen gezogen, es blieb bei Lippenbekenntnissen der politische Verantwortlichen.

Nach all diesen – nur beispielhaften – Ereignissen ist nicht mehr zu übersehen, dass es in der BRD eine beachtliche faschistische Gefahr gibt. Alle zeigten sich tief beeindruckt von Merkels Rede, in der vom »Gift des Hasses und des Rassismus« die Rede war, das in unsere Gesellschaft eingedrungen sei. Dabei erklärt das gar nichts. Woher kommt der Hass her? Wie und warum verbreitet sich Hass in einer Gesellschaft? Über Hintergründe und Netzwerke, über Zusammenhänge zwischen staatlichen Behörden und Faschisten, über die gesellschaftlichen Wurzeln und Funktionen des Faschismus wird nie gesprochen, stattdessen von Einzeltätern und Einzelfällen, von Wahnsinn und Wahnwelt.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns wieder auf den Schwur von Buchenwald besinnen: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Wir werden weiterhin die Erinnerung wachhalten, wir werden Widerstand gegen Faschismus und Krieg leisten, wir werden für ein Leben in Frieden und Freiheit für alle kämpfen, bis die faschistische Gefahr für immer gebannt ist.

Quelle:

SDAJ Hessen