Rotes Kreuz hetzt DFG-VK Anwälte auf den Hals

DFG-VKEigentlich wollte die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) nur auf die enge »zivil-militärische Zusammenarbeit« zwischen dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und der deutschen Armee aufmerksam machen. Als Reaktion darauf geht DRK jedoch juristisch gegen die Kampagne der Friedensaktivisten vor.

Als am gestrigen Mittwoch um 14.58 Uhr in der Bundesgeschäftsstelle der DFG-VK in Stuttgart ein seitenlanges Fax einging, staunten die Anwesenden nicht schlecht. Eine vom DRK beauftragte Rechtsanwaltskanzlei forderte darin, die Aktionswebsite www.deutsches-rotes-kreuz.net aus dem Internet zu nehmen und drohte mit einer Vertragsstrafe von mindestens 5.100 Euro, wenn dies nicht bis zum 1. Juni, dem Tag an dem das Fax einging, geschehe. Eine Unterlassungserklärung sei dazu abzugeben. Den Gegenstandswert der Auseinandersetzung bemessen die vom DRK beauftragten Anwälte auf eine Höhe von 75.000 Euro.

In jedem Fall soll die Friedensorganisation die Anwaltskosten von über 1.750 Euro tragen – ein hoher Betrag für die Aktivisten. Die hatten vor wenigen Wochen begonnen, mit ihrer Aktionswebsite auf die enge Zusammenarbeit des DRK mit dem deutschen Militär aufmerksam zu machen: Die mittlerweile nicht mehr erreichbare Internetseite war an das Design der offiziellen DRK-Website angelehnt – aber klar als Aktionsseite kenntlich. So prangte am Ende der Seite das Logo der Friedensgesellschaft, und auch das Impressum leitet auf die offizielle Seite der DFG-VK und das dortige Impressum weiter. In Anlehnung an eine aktuelle Spendenkampagne des Roten Kreuzes standen abgewandelte Motive wie »Deutscher Roter Panzer« oder »Deutscher Roter Soldat« auf der Aktionsseite der Friedensfreunde.

Auch wenn sie ihre Aktionsseite erstmal offline gestellt haben, die Unterlassungserklärung unterschreiben wollen die Friedensaktivisten nicht. Sie haben den Eindruck, dass die Hilfsorganisation eine öffentliche Auseinandersetzung über ihre »zivil-militärische Zusammenarbeit« unterbinden will.

Tatsächlich sieht es danach aus, dass die Verbindungen zwischen dem DRK und der Bundeswehr zuletzt immer enger geworden sind: Schon 2003 bekannte sich das DRK explizit zur »Mitwirkung« an Militäreinsätzen. 2008 definierte dann ein Bundesgesetz die »Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr« als zentrale »Aufgabe« der Hilfsorganisation. Seit 2009 unterhält das DRK einen eigenen »Beauftragten für zivil-militärische Zusammenarbeit«. Seit 2014 finden gemeinsame »Joint Cooperation«-Manöver von DRK, Bundeswehr und weiteren Armeen statt. Und am 24. November 2015 unterzeichneten der DRK-Generalsekretär Christian Reuter und Markus Grübel, der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, die erste zentrale Kooperationsvereinbarung – es soll der Zusammenarbeit ein »offizielles Fundament« geben.

»Mit der engen Kooperation bricht das DRK zumindest zwei ihrer obersten Grundsätze«, merkt Christoph Neeb, einer der Bundessprecher der DFG-VK, an. Gemeint sind die Unabhängigkeit und Neutralität der Hilfsorganisation, die durch die einseitige Bundeswehr-Zusammenarbeit verloren gehen werden: »Henry Dunant, der Begründer der Rot-Kreuz-Bewegung, hat den Grundsatz der Neutralität des Hilfswerks selbst geprägt, als er 1859 auf dem Schlachtfeld bei Solferino ohne Ansehen der Nationalität Verwundeten half«, erinnert Neeb. Im Gefecht zähle die Uniform, nicht der Mensch. Im Lazarett kehre sich die Perspektive wieder um. »Wie sollen beide Perspektiven vereinbar sein?«, fragt Neeb heute.

Der aktuelle Streit zwischen DRK und DFG-VK würde den Gründern beider Organisationen nicht gefallen: Bertha von Suttner, die Gründerin der fast 125 Jahre alten Deutschen Friedensgesellschaft, war eng mit Henry Dunant, dem Gründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz verbunden. Dunant veröffentlichte 1897 mehrere Beiträge in Suttners Zeitschrift »Die Waffen nieder!«. Darin verglich er Militarismus mit ansteckenden Krankheiten wie Pest und Tollwut und stellte sich gegen die Legende vom Militär als Tugendschule. 1901 wurde Dunant auf Initiative Bertha von Suttners der allererste Friedensnobelpreis verliehen.