Kommunisten und bürgerliche Demokratie

Was geht es uns an, wenn ein Abgeordneter der westdeutschen Stadt Bottrop wegen eines angeblichen Geheimnisverrats angeklagt wird? Bottrop ist weit weg, im Ruhrgebiet, und der »Fall« ist eigentlich derartig nichtig, daß er kaum viel Platz in einer Zeitung verdient. Dennoch hat die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« ausführlich darüber berichtet, daß in dieser Woche der kommunistische Abgeordnete Michael Gerber in Bottrop wegen eines solchen Vorwurfs vor Gericht erscheinen mußte. Wir räumen diesem Vorfall nicht etwa nur deshalb so viel Platz ein, weil Michael Gerber Kommunist ist, und auch nicht nur deshalb, weil wir ihn seit Jahren kennen und ihn als einen Freund betrachten. Hier geht es um wesentlich mehr. Nämlich darum, was eigentlich »Amtsgeheimnisse« sind und was das mit bürgerlicher Demokratie zu tun hat.

Der »Fall« selbst war eigentlich simpel. Michael Gerber ist seit Jahren mit dem Mandat der Deutschen Kommunistischen Partei Abgeordneter im Rat seiner Heimatstadt Bottrop. Er macht seine Arbeit offensichtlich gut, denn sonst hätten ihm die Wähler nicht wiederholt ihre Stimme gegeben. Wichtig ist: Er macht seine Arbeit gut in dem Sinne, wie er als Kommunist seine Verantwortung sieht.

Als Abgeordneter hat Michael Gerber in einer nichtöffentlichen Sitzung von einer Mauschelei Kenntnis erhalten, die er nicht mit verantworten konnte und wollte. Also klärte er in einer Publikation seiner Partei die Bürger darüber auf, daß eine städtische Firma den Mitarbeitern die Bezüge kürzte, während die Vorstandsmitglieder weiterhin ihre üppigen Boni kassieren sollten. Weil es den Bestimmenden in der Stadt nicht paßte, derartig bloßgestellt zu werden, klagte ihn die Staatsanwaltschaft wegen »Geheimnisverrats« an. Der Vorwurf an sich ist lächerlich, und die Richterin konnte nicht umhin, den Angeklagten freizusprechen – allerdings mit dem recht offen formulierten Hinweis, daß er im Wiederholungsfall dennoch bestraft werden könne.

Das bedeutet in die klare Sprache der Mächtigen übersetzt: Wir können nicht verhindern, daß Kommunisten an unseren Sitzungen teilnehmen. Wir haben aber die Instrumente, um zu verhindern, daß das gemeine Volk erfährt, was hinter verschlossenen Türen ausgekungelt wird. Und genau darum geht es, wenn wir so ausführlich über den »Fall« Gerber berichten. Es geht darum, daß kommunistische Abgeordnete zu ihrer Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern stehen, daß sie sich ihnen gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet fühlen über das, was sie im Rahmen ihres Mandats tun. Und auch darüber, welche Vorschläge sie in die Gremien einbringen und darüber, wie sie zu bestimmten Vorlagen abgestimmt haben.

Kommunistische Abgeordnete sind in erster Linie ihren Wählern gegenüber dazu verpflichtet, entsprechend dem Wahlprogramm ihrer Partei zu handeln. Aus diesem Grund hat hierzulande die KPL als einzige Partei zuerst ihr Wahlprogramm diskutiert und öffentlich gemacht, und danach die Kandidaten für die Chamberwahlen ausgewählt, die auf der Grundlage dieses Programms zu handeln bereit sind.

Im Gegensatz zu anderen Parteien machen die Kommunisten keine Versprechungen, die sie nicht zu erfüllen bereit sind. Dazu gehört ebenfalls die bedingungslose Offenheit gegenüber denen, die sie gewählt haben – auch unter den Bedingungen der bürgerlichen Demokratie.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek