Viel Geklatsche, nichts dahinter

Beschäftigte im öffentlichen Dienst fordern materielle Anerkennung ihrer Leistungen

Man konnte oberflächlich den Eindruck gewinnen, dass sich ab Mitte März die Bundesrepublik im Tiefschlaf befände. Soziale Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts wurden auf ein Minimum heruntergefahren, Spielplätze gesperrt und Millionen von Menschen in Kurzarbeit geschickt. Ganz anders sah es bei uns Beschäftigten im Öffentlichen Dienst aus: In vielen Bereichen nahm zum Lockdown die Arbeit richtig an Fahrt auf. In den Krankenhäusern schufteten die PflegerInnen doppelt so viel, in den Jobcentern und Arbeitsagenturen stapelten sich Anträge auf Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld, in den Jugendämtern häuften sich die Meldungen zu Konfliktsituationen in Familien. Und natürlich sorgten MüllwerkerInnen weiterhin für saubere Straßen und der öffentliche Nahverkehr stellte die Mobilität der Menschen sicher.

Arbeitgeber wollen Krisenlasten auf Beschäftigte abwälzen

Inmitten dieser unerwarteten Mehrarbeit lief dann auch noch der Tarifvertrag für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst aus. So entschloss sich die ver.di Bundestarifkommission dazu, eine Verlängerung des Tarifvertrags mit einmaliger Prämienzahlung vorzuschlagen; also praktisch eine Nullrunde für alle Beschäftigten. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VKA) lehnte dieses sozialpartnerschaftliche Angebot ab und witterte die Chance, die staatlichen Krisenlasten nun großflächig auf die Beschäftigten abzuwälzen. Plötzlich waren wir in der Gewerkschaft gezwungen, nun doch eine ordentliche Tarifrunde zu organisieren.

Die Forderungsdiskussion war mit rund sechs Wochen denkbar knapp. Instrumente wie ein Online-Fragebogen behinderten in der Praxis leider vielerorts die notwendige kollektive Diskussion in den Betrieben. Der Frust über die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber machte sich vor allem in den Branchen breit, die die vergangenen Monate über die Maße durchschuften mussten. So waren es innerhalb ver.di vor allem die KollegInnen der Pflege und des ÖPNV, die eine deutliche Lohnerhöhung sowie Arbeitsentlastung einforderten. Die Arbeitgeberseite hingegen verweigerte sich in den ersten beiden Verhandlungen eines Gegenangebots. Stattdessen zwingen sie der Gewerkschaft komplexe Diskussionen um die Eingruppierung und Streichung der Leistungsprämie auf, die letztendlich nur auf eins hinauslaufen werden: eine Absenkung der Löhne durch die Hintertür. Die Antwort auf solch unverschämte Forderungen konnte dementsprechend nur heißen: Arbeitskampf.
Schwierige Kampfbedingungen

Die Durchführung flächendeckender Streiks gestaltet sich jedoch schwierig. Dank Homeoffice und der Anpassung der Arbeitsabläufe auf immer neue Hygieneschutzmaßnahmen, sind viele Beschäftige schwer mobilisierbar. Und nicht zuletzt steht und fällt der Erfolg einer Tarifrunde im öffentlichen Dienst mit der Unterstützung der streikenden Kolleg*innen durch die allgemeine Öffentlichkeit. Dazu bedarf es allerdings einer sensiblen Außenkommunikation und einer durchdachten Streikstrategie.

Bei all den oben skizzierten Problemen, sind sich die insgesamt 2,3 Millionen Kolleg*innen aber einig: Wir im öffentlichen Dienst sind unverzichtbar, denn wir halten den Laden am Laufen. Jetzt sind die Regierenden dran, dem Klatschen eine materielle Anerkennung folgen zu lassen.

Sepp, Wuppertal

Quelle:

SDAJ – Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend