Fleischindustrie gegen Verbot von Werkverträgen

Die Situation der hierzulande in der Fleischindustrie Beschäftigen ist schon lange in der Kritik. Doch bislang hat sich nur wenig geändert. Als es im Mai beim Fleischkonzern Tönnies in Rheda-Wiedenbrück zu einer Vielzahl von Corona-Fällen kam, konnten die herrschenden skandalösen Zustände nicht mehr vertuscht werden. Zu den wesentlichen Ursachen für den Ausbruch gehörten zwar vor allem die Arbeitsbedingungen der bei Tönnies mehrheitlich über Subunternehmen Beschäftigen. Doch für Empörung sorgten auch die teilweise miserablen Wohnbedingungen vieler Arbeiterinnen und Arbeiter. Auch in anderen Bereichen, so vor allem unter Erntehelfern, die wie viele Beschäftigte in der Fleischindustrie oft aus Ost- und Südosteuropa kommen und in ihren Unterkünften oft auf engstem Raum wohnen, kam und kommt es wie aktuell in Mamming zu größeren Ausbrüchen.

Nun will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit einem neuen Gesetz „durchgreifen“. Das Bundeskabinett beschloss in der vorigen Woche ein „Arbeitsschutzkontrollgesetz“, das vorerst nur für die Fleisch­industrie gelten soll, obgleich es ja nicht nur dort schlechte Arbeits- und Wohnbedingungen, Werkverträge und Leih- beziehungsweise Zeitarbeit gibt. Ausgenommen sind Betriebe des Fleischerhandwerks mit bis zu 49 Mitarbeitern. Vor allem sollen ab dem 1. Januar 2021 Werkverträge verboten werden, ab dem 1. April des kommenden Jahres wird auch Zeitarbeit untersagt. Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung dürfen in Zukunft nur noch von Stammpersonal vorgenommen, ein Betrieb muss vom „alleinigen Inhaber“ geführt werden. Eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen in Form „aufeinander abgestimmter Arbeitsabläufe“ soll grundsätzlich verboten werden, um Ausgründungen und Auslagerungen zu verhindern. Vorgesehen sind auch die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung sowie eine höhere Kontrolldichte, die aber auch andere Branchen betreffen soll. Gesundheitsschutz sowie Arbeits- und Wohnbedingungen der Beschäftigten sollen verbessert werden.

Das Gesetz muss noch im Bundestag beraten und beschlossen werden. Im Vorfeld gibt es Kritik, natürlich von der deutschen Fleischwirtschaft. Ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit allein in ihrer Branche hält man dort für verfassungswidrig. Dieser Überzeugung sind auch BDA und IGZ, der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen. Damit wird „Druck aufgebaut“. In „Die Welt“ konnte man in diesem Zusammenhang am 29. Juli lesen: „Nur Wochen nach dem Tönnies-Skandal erzielt Hubertus Heil in seinem Feldzug gegen Werkverträge und Zeitarbeit einen Etappensieg. Das nutzt Tieren und Arbeitern kaum. Umso unverständlicher ist, dass die Union den Arbeitsminister dennoch gewähren lässt.“ Zeitarbeit und Werkverträge seinen aber „in der Ära des Fachkräftemangels ein unverzichtbares Instrument der flexiblen Arbeitsorganisation“. Und weiter: „Entsprechend verstört ist man auch, dass die marktwirtschaftlichen Restreflexe der Union selbst an dieser Stelle nicht funktionieren.“ Dabei ist man sich in der CDU wie der CDU-Bundestagsfraktion doch noch gar nicht einig. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer hatte am 13. Mai in einer „Aktuellen Stunde“ zur Situation in der Fleischindustrie deutlich gemacht, er habe manchmal im Zusammenhang mit den Vorgängen in der Fleischindustrie „den natürlich völlig unzutreffenden Eindruck: Die Schweine sind nicht nur die, die geschlachtet werden“ und den Bundestag aufgefordert, gesetzgeberisch tätig zu werden. Der Arbeitsmarktpolitische Sprecher der Fraktion, Peter Weiß (CDU), fordert dagegen, Fleischproduzenten auch in Zukunft eine gewisse „Flexibilität“ im „Umgang mit Nachfrageschwankungen“ zu erlauben. Schon zuvor hatte Gitta Connemann (CDU), Vize-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, starke Bedenken gegen das Gesetzesvorhaben geäußert. Karl-Josef Laumann, Arbeits- und Gesundheitsminister in NRW, steht hingegen laut „FAZ“ für eine konsequente Umsetzung des Beschlusses des Bundeskabinetts.

Und Konzernchef Tönnies? Der ist natürlich auch gegen das Gesetz, denn dem Unternehmen werde durch das neue Gesetz „die Möglichkeit der Spezialisierung und die Möglichkeit, auf Marktereignisse zu reagieren“ genommen. Er ist sich in diesem Falle Unterstützung – und nicht nur aus der Branche – gewiss. Gleichzeitig sucht er nach Schlupflöchern, gibt sich aber auch reumütig, denn er will „natürlich“ ab 1. Januar in den Kernbereichen der Produktion auf direkt beim Unternehmen angestellte Kräfte setzen. Und er tritt als „Wohltäter“ auf. Plötzlich sollen für die Beschäftigten in Rheda-Wiedenbrück ungefähr 70 Häuser mit bis zu 1.500 Wohnungen gebaut werden. Wie der Geschäftsführer der Tönnies Holding, Daniel Nottbrock, erklärte, sollen die dann natürlich zu „ortsüblichen, marktüblichen Mietpreisen“ vermietet werden. Aber nicht nur da wird Tönnies in der aktuellen Situation gewiss versuchen, Gewinn zu ziehen.

Quelle:

UZ – Unsere Zeit