Trauriges Spiel

Wenn wir auch nicht mit ihm einer Meinung sind, unterstellen wir dem Präsidenten der EU-Kommission, daß ihm die Zukunft der Europäischen Union tatsächlich am Herzen liegt. Unter diesem Aspekt hat Jean-Claude Juncker damals den Posten in Brüssel übernommen, der sich dann allerdings als recht undankbarer Job herausgestellt hat. Umso trauriger aus seiner Sicht, daß er nun, kurz bevor er mit zumindest einer Träne im Knopfloch aus dem Amt scheidet, feststellen muß, daß er einen wahren Scherbenhaufen hinterläßt.

Das Theater um den Austritt Britanniens aus der EU muß ein herber Schlag für ihn sein. Alle Bemühungen des Präsidenten und der Mitglieder seiner Kommission, diesen bedeutenden Verlust zu verhindern oder zumindest einigermaßen abzumildern, konnten das heute allzu offensichtliche Chaos nicht verhindern. Vom damaligen Premier Cameron eingerührt, von dessen glückloser Nachfolgerin May noch verschlimmert und vom jetzigen Regierungschef Johnson auf einen vorläufigen traurigen Höhepunkt getrieben, spielt sich hier ein Drama ab, dessen Ausgang niemand kennt. Herr Juncker hat sich alle Mühe gegeben, das heillose Durcheinander entwirren zu helfen, aber das hat sich immer wieder als vergebliche Liebesmühe herausgestellt.

Auch ein gemütliches Essen in einem Lokal in Luxemburg brachte nichts als Spesen ein. Juncker und Johnson machten gegenüber den Fotografen gute Miene zum bösen Spiel, aber letztlich ging die Sache aus wie damals im legendären Hornberg, als die braven Bürger ein Salutschießen zur Begrüßung ihres Monarchen so lange geprobt haben, bis sie schließlich am Tag der Ankunft ohne Munition dastanden. Zur geplanten Pressekonferenz ist Boris Johnson dann gar nicht mehr erschienen, und so hatte zumindest Premierminister Bettel die Chance, sich vor den anwesenden Journalisten zu präsentieren.

Am Mittwoch schließlich ließ sich Juncker im EU-Parlament dazu hinreißen, seine bisher geäußerte Position, das Abkommen mit den Briten werde nicht mehr verhandelt, doch noch ein wenig zu revidieren. Allerdings machte er unverzüglich klar, daß aus London wohl eher keine neuen Ideen zur Lösung der Streitfragen kommen dürften. Durchaus traurig für den scheidenden Kommissionschef wird es gewesen sein, daß sich von den hochbezahlten EU-Parlamentariern in Straßburg nur eine recht geringe Zahl für eine seiner letzten Reden vor diesem erlauchten Gremium interessierte… Immerhin ging es um eines der wichtigsten Themen, mit denen sich die EU zur Zeit herumschlagen muß. Wofür haben sich diese Leute eigentlich wählen lassen?

Traurig ist auch, daß ein eigentlich hochpolitisches Thema wie der Austritt eines Landes aus der EU nun vor Gericht verhandelt wird. Allerdings geht es vor dem Londoner Supreme Court nicht um den Brexit an sich, sondern darum, ob der Regierungschef die gewählten Volksvertreter in einer derartig brisanten Zeit einfach nach Hause schicken darf. Derweil traut sich in London und Umgebung kaum noch jemand, die Forderung nach Neuwahlen laut zu wiederholen. Verständlich, denn wer will in dieser Situation schon die Verantwortung übernehmen?

Laut Aussage von Johnson ist das künftige Verhältnis zwischen dem EU-Land Irland und dem »britischen Nordirland« das Hauptproblem. Nunja, das Problem besteht wohl eher darin, daß Nordirland nicht »britisch« ist, sondern ein von Britannien besetztes Territorium. Vielleicht liegt ja die direkteste Lösung darin, diese Besetzung einfach zu beenden?

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek