Pyrrhussieg

Das Prestigeprojekt und ehemaliges Hauptwahlkampf-Zugpferd der CSU in Bayern ist seit Dienstag vorerst Geschichte: Die sogenannte »Ausländermaut« bekam vor dem EuGH den Todesstoß. Das kam ziemlich überraschend, da noch Anfang des Jahres aus Brüssel weitaus versöhnlichere Töne zum deutschen Wegezoll-Projekt zu hören waren. Vor allem Österreich, das nicht lockerließ, sich gegen dieses Ausländer diskriminierende Projekt zu stemmen und Anrainerländer, wie Belgien zeigten sich im Anschluß an das Aus erleichtert. Luxemburg hatte auf halbem Wege die Segel gestrichen.

Nun darf allerdings keineswegs erwartet werden, daß das Abkassieren und die damit einhergehende Einschränkung der Reisefreiheit innerhalb Europas aufgehalten werden könnte. Die EU selbst und auch luxemburgische Regierungsvertreter plädieren nämlich für ein EU-weit einheitliches Abgabesystem, welches dann auch die bisher bestehenden Abgaben ersetzen soll.

Das Reisen innerhalb der EU wird also so oder so in absehbarer Zeit teurer, ganz abgesehen davon, daß auch die in den Startlöchern stehenden unfairen Klima-Abgaben, wie etwa CO2-Steuern und Restriktionen des Individualverkehrs ihren finanziellen Tribut bei kleinen und mittleren Einkommen fordern werden. Ungeschoren davonkommen werden wieder jene, die es immer schaffen: Großverdiener und Unternehmen. Letztere fordern ohnehin schon jetzt, daß die Bürger den Gürtel enger schnallen sollen, wie es kürzlich von Volkswagens Chefetage verkündet wurde.

Im selben Moment, wo der Individualverkehr durch Infrastrukturabgaben mehr belastet werden soll, weil das für Instandhaltungen vorhandene Geld anderswo verbraten wird und wo ungerechte Klima-Abgaben ihr Übriges leisten, stellen die Transport-Alternativen immer weniger eine Alternative dar: Reisefreiheit gibt es nur noch gegen Bares. Dies in einer Zeit, wo die Bahnen ebenfalls einem EU-Liberalisierungs- und Privatisierungszwang unterworfen werden und nur noch ein Schatten des ehemaligen Angebots staatlicher Fürsorge sind.

Die Bahnen in der EU haben im Zuge der Ausrichtung auf Profit-Orientierung mit Streckenstilllegungen, maroder Infrastruktur, zu hohen Preisen und zu schlechten Verbindungen zu kämpfen. Wer Bahn fährt, muß viel Zeit und noch mehr Geld besitzen. Ein teures Steckenpferd. Liberalisierung des Schienenverkehrs lautet hier das »Zauberwort«, während im Straßenbau etwa in Deutschland längst privat-öffentliche Partnerschaften (PPP) um sich greifen. Die Ära des öffentlichen Eigentums an Fernstraßeninfrastruktur neigt sich wohl dem Ende zu.

Die Abfuhr für die ungerechte deutsche Maut am Dienstag war also ein Pyrrhussieg: Dieses Projekt wird es so nicht geben, jedoch wird der Weg geebnet für Anstrengungen, auf EU-Ebene ein länderübergreifendes Projekt zu starten, von dem befürchtet werden darf, daß es insbesondere durch die Masse der Lohnabhängigen getragen werden dürfte, die weiterhin auf die Straßen angewiesen sein werden.
Doch was nützt es, wenn die Maut dann vielleicht doch noch irgendwann nach Deutschland kommt, wenn sie von Brüssel geschaffen wurde und auch die deutschen Autofahrer zusätzlich belastet. Die CSU wird es nicht aus der Schmoll-Ecke zurück bringen, schließlich war es den Bierzelt-Krakeelern wichtig, daß diese Maut in Deutschland eine Bayerische sein soll.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek