EU schürt Spannungen

Es gäbe viel zu tun in der EU. Die EU-Kommission und die selbsternannten führenden Mächte des Staatenbündnisses könnten sich zum Beispiel dafür einsetzen, daß im EU-Gastgeberland Belgien endlich eine Regierung gebildet wird. Dort wollen sich – mehr als ­450 Tage nach den Parlamentswahlen – die Parteien nicht darauf einigen, was für eine Art Koalition das Land regieren soll. Die Kommission könnte sich zum Beispiel auch um die veritable Staatskrise im Mitgliedsland Bulgarien kümmern, wo seit Wochen Demonstrationen und Protestaktionen gegen die Regierung stattfinden, unterstützt vom rechtmäßigen Präsidenten des Landes. In den letzten Tagen sind immer mehr Funktionsträger des Staates von Bord gegangen, vorgestern der Justizminister, gestern die Chefin der Wahlbehörde. Und der Premierminister klammert sich an seinen Stuhl, indem er die Ausarbeitung einer neuen Verfassung in Aussicht stellt – die allerdings die Probleme nicht lösen wird.

Im Mitgliedsland Italien droht ebenfalls eine handfeste Regierungskrise, diesmal befeuert von Streitigkeiten über die Flüchtlingspolitik. Die sogenannte Flüchtlingskrise, deren Ursachen zum großen Teil hausgemacht sind durch eine völlig verfehlte Flüchtlingspolitik der EU, hat nicht nur Auswirkungen auf Italien, sondern mittelbar auch auf Spanien und Griechenland, und unmittelbar auf faktisch alle EU-Staaten.

Trotz aller Warnungen von Fachleuten läßt die EU-Kommission auch zu, daß die Mitgliedstaaten in der Corona-Krise unterschiedliche, zum Teil abenteuerliche Wege gehen. Und statt die Kräfte zu bündeln für eine möglichst rasche Überwindung dieser Krise, statt alle vorhandenen Mittel aufzuwenden, um die in einigen Ländern – wie Rußland, China oder Kuba – bereits gewonnen Kenntnisse und im Entstehen begriffenen Impfstoffe in einer gemeinsamen Anstrengung weiter zu erforschen und den Menschen zugänglich zu machen, werfen die EU-Kommission und einzelne Mitgliedstaaten lieber den Pharmakonzernen Milliarden in den Rachen, damit die dann später auch noch Milliarden mit neuen Medikamenten kassieren können. Rivalität statt Kooperation.

Besonders deutlich wird die Politik des Schürens von Spannungen derzeit durch die Haltung zu den Problemen in der Mittelmeer-Region. Dort streiten sich das EU-Land Griechenland und die Türkei um eine mögliche Ausbeutung von Erdgaslagerstätten. Die Türkei verletzt dabei systematisch die Seegrenzen des griechischen Nachbarn, und glaubt sich im Recht, denn Ankara ist der Seerechtskonvention der UNO, in der die Festlegung von Territorialgewässern reguliert wird, niemals beigetreten.

Nachdem es bereits zu Rangeleien zwischen griechischen und türkischen Fregatten gekommen war, führen Kriegsflotten und Luftstreitkräfte beider Armeen nun Manöver im Mittelmeer durch, zum Teil mit Beteiligung französischer und britischer Kriegsschiffe und Flugzeuge. Die US Navy hat sich entschieden, Kriegsspiele mit beiden Nachbarstaaten zu üben, schließlich sind ja beide auch Mitglieder der NATO.
Die kaum verborgene Unterstützung der Türkei durch den deutschen Außenminister-Darsteller am Dienstag hat die Spannungen weiter angeheizt. Statt zu vermitteln, hatte er der griechischen Seite die Bereitschaftserklärung für eine Kompromiß-Lösung abgerungen, und anschließend widerspruchslos akzeptiert, daß erst der türkische Außenminister und am Tag danach der türkische Präsident erklärten, daß die Türkei niemals auf ihre Ansprüche verzichten werde. Entspannungspolitik sieht anders aus!

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek