Sklaverei über den Wolken

Ab 3 Uhr früh am Freitagmorgen war es also soweit: Der länderübergreifende Streik des Personals beim Billigflieger Ryanair begann mit einem Paukenschlag: Die größte Zahl der Flüge fiel aus und das mitten in der Urlaubszeit. Was in anderen Branchen entweder nur holprig oder gar nicht funktioniert, hat hier gegriffen: Internationale Solidarität von Beschäftigten und ihren Vertretern.

Dies im Kampf für eine Verbesserung der seit Jahren bekannten erbärmlichen Arbeitsbedingungen. Ryanair zeigt an diesem Streik und an den Belangen der Beschäftigten indes keinerlei Interesse und offenbart damit seine Geringschätzung für die rund 11.000 Beschäftigten, insbesondere beim Bord- und Cockpit-Personal. Piloten seien »bessere Busfahrer«, die man nach Belieben »wie eine Zitrone aufschneiden und auspressen« könne.

Dies sind Worte, welche die Verachtung eines Unternehmens gegenüber seinen Angestellten nicht deutlicher beschreiben könnten, und doch zeigen sich viele Fluggäste verärgert und ohne Verständnis für den Protest. Zum Einen, weil sie sich in ihrem Konsum einschränken müssen und nicht daran denken, daß sie vielleicht mit Solidarität in diesem Fall oder Beispielnehmen für den eigenen Arbeitsplatz etwas beisteuern können und zum anderen, weil die Medien uns stündlich jeden Tag fast ausschließlich darüber informieren, wie viele Flüge zur Ferienzeit ausfallen und wie viele Passagiere sitzen bleiben. Die Taktik von Ryanair scheint aufzugehen, den Streik nicht anzunehmen und etwa Entschädigungen für Reisende zu verweigern, mit dem Hinweis, man könne nichts für den »unnötigen« Streik und dadurch den Zorn auf die Gewerkschaften und das streikende Personal umzuleiten.

Dabei sind derartige Arbeitsbedingungen, wie sie bei Ryanair herrschen eine Gefahr auch für all die zornigen Fluggäste, denen Geiz offenbar nicht geil genug sein kann und die in einer Konsumgesellschaft, in der Dienstleistungen nichts mehr kosten dürfen, nicht merken, daß sie sich nur aufgrund solch prekärer Arbeitsbedingungen Flugreisen überhaupt leisten können, da ihr eigenes Lohnniveau seit Jahren sinkt.

So lange O’Leary und sein Konzern zu keinen Verhandlungen über Tarifverträge bereit sind und ihr Personal wie Dreck behandeln, so lange werden sich Kunden, die keinerlei Verständnis für Proteste gegen Lohn- und Sozialdumping zeigen, weil es sie nicht betrifft und dies auch in die Mikros der TV-Sender plärren dürfen, eine Mitschuld an der Situation ans Revers heften dürfen. Sprüche wie »Jeder ist frei, sich eine andere Arbeit zu suchen«, sind zynisch und sozialdarwinistisches neoliberales Gebrabbel.Arbeitskämpfe sind ohnehin in Mitteleuropa nicht allzu beliebt, weil sie die Wunde offenlegen, die unter der Oberfläche unserer Gesellschaft schwelt: Sinkende Löhne und soziale Gerechtigkeit, schlechter werdende Arbeitsbedingungen bei gleichzeitigen hoch bleibenden Ansprüchen an ein gutes Leben im Konsum. Denn Letzterer ist das Zugpferd, um die Masse nicht meutern zu lassen.

Allen, die doch noch einen Billigbomber mit Thrombose-Komfort in die Ferien ergattert haben, sei gesagt: Genießen Sie Ihren Urlaub, den Gewerkschaften für Sie erkämpft haben.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek