Armut im reichen Luxemburg, und was dagegen getan werden muss

»Will der Fonds national de Solidarité Menschen verhungern lassen?«, fragten wir gestern in der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«. Zugegeben, eine krasse Formulierung, aber wenn der Fonds einem Menschen, der kein anderes Einkommen und inzwischen keinen Cent mehr in der Tasche hat, das soziale Mindesteinkommen streicht und ihm – unabhängig davon, ob die Verwaltung dafür einen triftigen Grund hat oder nicht – auch nach zwei Monaten noch immer keine schriftliche Mitteilung über den Grund der Entscheidung zukommen gelassen hat, dann ist das ein dicker Hund.Dabei gibt es Zufälle, die gar keine sind. Am gleichen Tag, an dem der Chefredakteur der »Zeitung« einen Beamten des Fonds fragte, ob der 79-jährige Herr denn nun gezwungen sei, den Spartelkit von den Festern zu essen, teilte man dem Mann mit, er werde ab sofort »Essen auf Rädern« bekommen.

Der hier gelagerte Fall mag etwas speziell sein, aber es ist kein Einzelfall, denn Armut und Altersarmut im Besonderen sind im reichen Luxemburg längst keine Randerscheinung mehr. In ihrem »Sozialpanorama« stellte die »Chambre des salariés« fest, dass jeder 6. Einwohner von Armut bedroht oder arm und jeder zehnte. Vollzeitbeschäftigte einem Armutsrisiko ausgesetzt ist.

Nur ist Armut hierzulande keine Folge von Naturereignissen, sondern ein Produkt wirtschaftlicher und sozialer Entscheidungen. Auch ist es kein Zufall, dass die Armut mit der Krise größer wurde, denn anders als die kommunistische Wirtschaftsplanung, die nach der Erfüllung der Bedürfnisse der Menschen strebt, beschränkt sich die kapitalistische Marktwirtschaft auf die Bedürfnisse zahlungsfähiger Kunden.Hinzu kommt, dass die Regierungspolitik der letzten Jahre, die Indexmanipulation, die Steuererhöhungen, der Sozialabbau, die restriktive Handhabung des RMG/REVIS und der immer größere Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen das Armutsrisiko für viele Menschen noch vergrößerte.

Für Minister und auch für gewisse Bürokraten, die ansehnliche Gehälter beziehen, mag es keine Rolle spielen, wenn die Teuerungszulage seit neun Jahren nicht an die Preisentwicklung angepasst wurde und sie daher 16 Prozent an Wert eingebüßt hat – für Menschen mit bescheidenem Einkommen hat das hingegen direkte, negative Auswirkungen. Hätten wir eine Regierung und eine Chamber, denen das Schicksal der Menschen tatsächlich am Herzen liegen würde, hätten sie längst Dringlichkeitsprogramme beschlossen, um die Armut zumindest kurzfristig zu lindern. Das würden jedenfalls die Kommunisten tun, wenn ihnen die Lohnabhängigen und Rentner dazu die Möglichkeit geben würden.Bleibt die Frage, wie der Armut ein für alle Mal beizukommen ist. Natürlich geht das nur durch eine konsequente Umverteilungspolitik von oben nach unten. Zum Beispiel über die Einführung einer Vermögenssteuer für Reiche, eine Erhöhung der Steuern auf die Profite von Banken und Großunternehmen, aber auch über eine steuerliche Entlastung der Schaffenden, eine großzügigere Sozial- und Gesundheitspolitik, eine strukturelle Erhöhung des Mindestlohnes, eine Anhebung der kleinen Renten und bezahlbare Mieten, die vom Gesetz garantiert werden.Das wären wichtige Schritte in die richtige Richtung, die aber nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn die Lohnabhängigen und Rentner heftigen Druck auf das Kapital und die Regierung ausüben und die Kommunisten stärken. Eine gute Gelegenheit dazu ergibt sich bei den Chamberwahlen!

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek