Damit die Wirtschaft den Menschen dient

Am Montag stellte der Mouvement Ecologique seinen Forderungskatalog an eine zukünftige Regierung nach den kommenden Parlamentswahlen vor. Auf etwa 80 Seiten wurden neun der Organisation wichtige Punkte zusammengefaßt, die als besonders dringend erachtet werden.

Präsidentin Blanche Weber erklärte in diesem Zusammenhang, daß es immer mehr Menschen gebe, die sich eine gerechtere Gesellschaft wünschten und kein »weiter so« wie bisher. Soziale Spannungen und Streß, war nur eine Erkenntnis aus dem Katalog, nähmen stetig zu.

Bereits seit Jahren warnen in der Tat Mediziner vor der massiven Zunahme psychischer Erkrankungen aufgrund einer immer schärferen Ausbeutung der Lohnabhängigen. Ganz besonders betroffen sind Menschen mit befristeten Anstellungen wie sie in den letzten Jahren stark zunehmen. Arbeitszeiten, Entlohnung und Umstände, unter denen Beschäftigte ihrer Tätigkeit nachgehen müssen, werden immer rücksichtsloser gegenüber menschlichen Bedürfnissen einzig mit dem Ziel gestaltet, größtmöglichen Profit abzuwerfen. Arbeiter, deren Kraft nicht mehr benötigt wird, werden wie Abfall entsorgt.

Wehe dem, der nicht bis ins hohe Alter nahezu rund um die Uhr bereit ist, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, weil er etwa krank ist oder einfach nicht mehr kann. Diese Menschen werden als arbeitsunwillig gebrandmarkt. Vielfach akzeptieren Unternehmen nur widerwillig, daß sie gegenüber einem Mediziner nicht das letzte Wort haben können. Sollte es ein Angestellter wagen, aufgrund von massiven Überstunden, ständiger äußerster Flexibilitätsanforderung und schlechter Arbeitsqualität krank zu werden, dann muß er dies wohl aus reiner Faulheit getan haben und bespitzelt werden.

Ständig und immer wieder fordert das Luxemburger Patronat schrill, dem »völlig grundlosen Absentismus« endlich einen Riegel vorzuschieben. Allein das Wort läßt keinen Zweifel daran, daß jeder Kranke unter Generalverdacht genommen wird. Absentismus umschreibt das Fernbleiben vom Arbeitsplatz aus Motivationsgründen oder privaten Problemen, nicht aber aufgrund von Krankheit.

Am lautesten krakeelen für gewöhnlich jene Unternehmen, die ganz besonders wenig Wert auf ein akzeptables Arbeitsumfeld legen, ausnahmslos den Mindestlohn zahlen und keinen Respekt vor dem Privatleben der Beschäftigten haben. Entweder wollen sie nicht wahrhaben, daß es einen Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Krankheiten gibt oder sie verstehen es nicht. Also läßt man die Leute überwachen, sie zuhause einsperren. Wer nicht arbeiten kann, soll quasi unter Hausarrest gestellt werden und muß jede seiner Bewegungen anmelden.

Die Gesellschaft hätte heute die Möglichkeit, alle Menschen am technischen Fortschritt der Betriebe und dem daraus resultierenden Wohlstand teilhaben zu lassen. Die ständig gestiegene Produktivität der Arbeit läßt mit immer geringerem Aufwand immer mehr Profit abwerfen und Arbeitszeitverkürzung sollte ein aktuelles Thema sein. Die Einzigen, die diesem Fortschritt im Wege stehen, sind jene, die immer wieder nach Repression schreien. Ihnen müssen wir die Hebel aus der Hand nehmen.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek