Herr ist Herr, und Max ist Max?

Wer einen regelmäßigen Kontakt mit den Arbeitern pflegt und des Öfteren auch mal hinter die Betriebsfassaden schaut, hört und sieht, dass sich das Arbeitsklima vielerorts deutlich verschlechtert hat. Der Wind, der den Schaffenden entgegen weht, wurde in vielen Betrieben von Tag zu Tag schärfer. Und zwar in einem Ausmaß, dass ältere Mitarbeiter inzwischen die Ansicht vertreten, das Rad der Geschichte sei um Jahre zurück gedreht worden. Immer offensichtlicher gelte nämlich am Arbeitsplatz wieder die Mentalität von »Herr ist Herr, und Max ist Max«.

Wie es das folgende Beispiel übrigens auch deutlich zeigt. Da wird ein Berufsfahrer eines großen Transportunternehmens, nachdem er abends nach Schichtende nach Hause wollte, mit einer zusätzlichen Fahrt ins nahe Ausland beauftragt. Den erhofften Schlaf, der ihm aufgrund des unvorhergesehenen zusätzlichen Auftrags eigentlich »gestohlen« wurde, wollte er am anderen Morgen nachholen. Was ihm sein Vorgesetzter allerdings verweigerte. So dass unser Fahrer am anderen Morgen wieder anzutreten hatte, nur wenige Stunden nachdem er seinen Brummi nachts im Firmenhof abgestellt hatte. Da er sich jedoch noch nicht von den Strapazen der vorigen um Stunden länger dauernden Schicht erholt und deshalb um eine längere Pause gebeten hatte, wollte er den ihm am anderen Morgen erteilten Auftrag eigentlich ablehnen. Er sah schlussendlich davon ab, weil ihm mit Arbeitsverweigerung und einer fristlosen Entlassung gedroht wurde.

»Mit solchen und ähnlichen Problemen werden wir immer häufiger befasst. Auch wenn nach wie vor viele, aus Angst um ihren Arbeitsplatz, davon absehen, uns in solchen Fällen zu kontaktieren. Bei den Problemen, die uns zugetragen werden, dürfte es sich deshalb womöglich nur um die Spitze des berüchtigten Eisbergs handeln«, so uns gegenüber ein Gewerkschaftssekretär.

Tatsache ist, dass den Schaffenden zunehmend das Messer auf die Brust gesetzt wird. Viele werden eingeschüchtert, ja regelrecht erpresst, gewisse Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, auch wenn diese eindeutig gegen kollektivvertragliche Abmachungen und Arbeitsrecht verstoßen. Wer sich dagegen zu wehren versucht, dem wird nicht selten mit dem Brotkorb gedroht. Mit der vielsagenden Bemerkung, dass aufgrund der zahlreichen Arbeitsuchenden schnell für Ersatz gesorgt sei. Im nahen Grenzgebiet würde man sich sowieso über jeden in Luxemburg frei gewordenen Arbeitsplatz freuen.

Wenn, dann beschweren sich Schaffende jedoch nicht nur darüber, dass sie immer häufiger länger als acht Stunden am Tag oder 40 Stunde die Woche arbeiten müssen, die Arbeitszeitregelung ständig zu ihren Ungunsten dereguliert wird, geschuldete Zuschläge zunehmend nicht gezahlt werden, immer häufiger gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen wird, in so machen Betrieben die Lohnauszahlung nur mehr unregelmäßig erfolgt. Nein, auch Druck, Hetze, interner Konkurrenzkampf und Mobbing haben in den letzten Jahren massiv zugenommen. Eine Entwicklung, die nicht nur negative Auswirkungen auf das Arbeitsklima hat, sondern auch zunehmend gesundheitliche Probleme bei den schaffenden hervorruft.

Es gilt also, die vom Gewerkschaftssekretär vermutete Spitze des Eisbergs schnellstens zum Schmelzen zu bringen, um an den darunter liegenden Brocken heranzukommen. Das wird möglich sein, wenn die Schaffenden zusammenhalten und die Salariatsvertreter aus dem »gemeinsamen Boot« aussteigen, welches das Kapital zur Verfügung stellte, um sie rudern zu lassen.

gilbert simonelli

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek