Konkursreform nicht weiter hinausschieben

Auch wenn Anfang Dezember die offizielle Zahl der 2018 registrierten Firmenpleiten noch nicht vorliegen kann, so deutete die im Juli veröffentlichte Halbjahresbilanz bereits in aller Deutlichkeit an, dass der Pleitegeier seine Runden auch in diesem Jahr erfolgreich über Luxemburg dreht. Die Halbjahresbilanz war erschreckend und hielt einen explosionsartigen Anstieg an Konkursen im Vergleich zum Vorjahr fest – 611 Pleiten von Januar bis Juli 2018 gegenüber 457 im ersten Halbjahr 2017, was einem Anstieg von 33,7 Prozent entsprach. Am schlimmsten betroffen waren erneut der Dienstleistungsbereich und der Handel.

Meldet eine Firma Konkurs an, so sind es stets die Schaffenden, die am schlimmsten betroffen sind. Sie verlieren nämlich nicht »nur« ihren Arbeitsplatz, sondern müssen meistens auch eine längere Zeit ohne Einkommen ausharren. Denn das Superprivileg, eine von den Gewerkschaften bei Insolvenzen für die betroffenen Arbeiter erkämpfte Entschädigung (Geldleistungen in Höhe von bis zu maximal sechs Monaten), gelangt in der Regel immer erst nach Monaten zur Auszahlung. Erschwerend hinzu kommt, dass das Anrecht auf Arbeitslosengeld erst drei Monate nach der gerichtlichen Verkündung der Insolvenz in Kraft tritt.

Besonders schlecht ist es bei Firmenpleiten um jene bestellt, die keine Reserven haben, um sich während der Zeit ohne Einkommen über Wasser zu halten, was ohne finanziellen Beistand von Familie oder Freunden kaum möglich ist. Zumal den Konkurserklärungen meistens Monate vorausgehen, in denen den Schaffenden die ihnen geschuldeten Löhne vorenthalten oder nur mehr unregelmäßig ausbezahlt werden.

Mit der Folge, dass viele schon wenige Wochen nach der Insolvenz nicht mehr ein noch aus wissen. Dem anfänglichen Zorn, dass man ohne eigenes Verschulden den Arbeitsplatz verlor und rücksichtslos in die Scheiße gedrängt wurde, folgen Ratlosigkeit und Niedergeschlagenheit.

Wie zahle ich meinen Kredit ab, womit zahle ich Miete, anstehende Rechnungen für Strom, Wasser und Müllabfuhr? Wie schaffe ich es, meine Familie zu ernähren, meine Kinder zu kleiden? Alles Fragen, auf die sie nur schwer eine Antwort finden. Es wachsen die Sorgen, dass einem die Wohnung gekündigt, der Strom abgeschaltet werden könnte. Kein Wunder also, wenn Pleiteopfer recht schnell mit den Nerven am Ende sind. Zumal sie meistens auch noch vom schwer zu ertragenden Gefühl belastet werden, nicht mehr gebraucht zu werden, überflüssig zu sein, ausgedient zu haben. Wem in solchen Zeiten nicht der moralische Beistand von Familie und Freunden garantiert ist, riskiert in ein tiefes Loch zu fallen, aus dem es so schnell kein Heraus mehr geben dürfte.

Damit muss ein für allemal Schluss sein. Den seit Jahren schon anhaltenden leeren Versprechen müssen schnellstens Taten folgen, das Insolvenzgesetz muss endlich reformiert werden.

Und zwar in einer Form, dass den Betroffenen der erniedrigende Weg zum Sozialbüro künftig erspart bleibt. Deshalb sollte eine Gesetzesreform her, die festhalten würde, dass Lohnrückstände in Zukunft über einen zu schaffenden Fonds (von Staat und Betrieben gespeist) gezahlt werden und Vorschüsse des Superprivilegs unbürokratisch und auf schnellstem Weg vom Beschäftigungsfonds zur Auszahlung gelangen.

Das Schaffen einer staatlichen Auffanggesellschaft, die Unternehmen, die ohne eigenes Verschulden in den Konkurs getrieben werden, Möglichkeiten zur Rekapitalisierung anbieten würde, um über diesen Weg »Know-how« und Arbeitsplätze zu erhalten, wäre ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

gilbert simonelli

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek