Regierungsprogramm im Nebel

Die Redner der Regierungsparteien DP, LSAP und Déi Gréng im Parlament behaupteten diese Woche tatsächlich, die Koalition habe ein klares Programm für die nächsten fünf Jahre. Doch ist das wirklich so?

Wer sich die Mühe macht, das 246 Seiten starke Dokument zu lesen, wird schnell feststellen, dass es im Regierungsprogramm nur so von Allgemeinplätzen wimmelt. Der Premierminister wurde in seinem 65 Minuten anhaltenden Exkurs durch das Koalitionsprogramm in vielen Fragen nicht unbedingt deutlicher. Wer in den verschiedenen Bereichen konkrete Angaben erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Nun ist natürlich nicht auszuschließen, dass die Regierungsparteien andere Vorstellungen von Klarheit haben als wir Allgemeinsterblichen. Sollte das so sein, werden Verständnisschwierigkeiten vorprogrammiert sein.

Allerdings könnten die vielen unverbindlichen Formulierungen damit zu tun haben, dass die Koalitionsparteien und die Regierung keine eindeutigen Vorstellungen, zumindest aber keine klaren finanziellen Vorgaben für wichtige Fragen haben, so dass sie es vorsätzlich lieber bei vagen Erklärungen belassen. »D’ass alles kloer wéi Maschtepull« heißt es dafür im Luxemburgischen.

So viel war immerhin aus der Regierungserklärung herauszuhören, dass wir es hier nicht mit einem fortschrittlichen und sozial gerechten Programm zu tun haben, sondern, dass zum Beispiel die Umverteilung zugunsten des Kapitals, die bisher von allen Regierungen praktiziert wurde, weiter fortgesetzt wird.

Das kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass vorgesehen ist, die Kapitalsteuern, die während der vergangenen Jahre systematisch herabgesetzt wurden, noch weiter gesenkt werden.

Das zeigt sich aber auch darin, dass die Regierung den Unternehmern einen Teil der Lohnkosten aus der Staatskasse bezahlen will, indem sie die angekündigte Erhöhung des Mindestlohnes zum größeren Teil aus dem Steueraufkommen finanzieren will. Übrigens bleibt die gleiche Regierung klare Worte darüber schuldig, wie aus mehreren Steuerklassen eine einzige gemacht werden soll, aber niemand höhere Steuern zahlen wird. So weit bekannt, ist allerdings keine Anpassung der Steuertabelle an die Inflation vorgesehen, oder?

Andererseits geht aus dem Regierungsprogramm nicht hervor, mit welchen konkreten Maßnahmen die Koalition die Armut, die während der letzten Jahre besonders stark zunahm, bekämpfen will, welche Initiativen sie ergreifen will, um die Spekulation im Wohnungsbau zurückzudrängen und welche Programme sie auflegen wird, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu steuern und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die viel höher ist, als das die offiziellen Zahlen angeben.

Auch in der Frage der Landesplanung und der Mobilität gibt es nur wenig konkrete Ansätze. Allein zu behaupten, man wolle die Gratuität des öffentlichen Transports ab Mitte 2020 einführen, dann aber keine konkreten Maßnahmen zu nennen, die erstens den Ausbau und die Qualitätssteigerung garantieren würden, damit der öffentliche Transport auch tatsächlich allen zugänglich ist, und zweitens die Arbeitsplätze im Bus- und Zugbereich gesichert bleiben, zeugt nicht von klaren Vorstellungen der Koalitionsparteien, es sei denn, diese Vorstellungen reduzieren sich auf eine Kürzung der Kilometerpauschale, also auf eine Maßnahme, die wieder einmal zu Lasten der Lohnabhängigen gehen würde.

Sollte sich der Nebel über dem Koalitionsprogramm während der nächsten Monate nach und nach lichten, ist nicht ausgeschlossen, dass noch mehr solcher Überraschungen ans Licht kommen werden.

Damit wäre aber die Schonzeit der Regierung schon vorbei, bevor sie erst richtig begonnen hat.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek