Steuergerechtigkeit für wen?

Als der Luxemburger Premier Xavier Bettel sich vergangene Woche im EU-Parlament für »eine faire Besteuerung der Profite von Internetunternehmen« einsetzte, und der EU-Kommissionspräsident und frühere Premier Jean-Claude Juncker in dem Zusammenhang auch noch von »Steuergerechtigkeit« und »Steuerfairness« sprach, lachten in Straßburg sogar die Hühner.

Beide ähneln sich zwar darin, dass sie gerne den Zampano markieren, aber mit Steuergerechtigkeit hat weder der eine noch der andere etwas am Hut. Immerhin erfolgte in den Jahren, in denen Juncker und Bettel einer CSV/LSAP-Regierung, beziehungsweise einer DP/LSAP/Déi Gréng-Koalition vorstanden, eine systematische Verlagerung der Gesamtsteuerlast von den starken Schultern des Kapitals auf die schwachen Schultern der Lohnabhängigen.

Ein besonderes Bonbon gab es für die internationalen Konzerne, als die Regierung das Steueramt damit beauftragte, Abmachungen über Steuervermeidung zu ermöglichen, sogenannte »Tax rulings«, die zur Folge hatten, dass mehrere hundert Konzerne fast keine Steuern in Luxemburg bezahlen. Die »Luxleaks«-Affäre brachte diese legale Gaunerei zwar weitgehend an den Tag, aber abgeschafft wurden die »Tax rulings« bis heute nicht.

Alles andere als »fair« ist auch, dass die sogenannten Investitionsfonds, die Vermögen von mehr als 4.000 Milliarden Euro horten, nur minimal besteuert werden. Denn mit »Steuergerechtigkeit« hat es wohl wenig zu tun, wenn bestimmte Investitionsfonds nur 0,01 Prozent »Taxe d’abonnement« bezahlen, während ein Mindestlohnbezieher der nicht verheiratet ist, das Fünfhundertfache an Prozenten von seinen 2.032 Euro abgezogen bekommt.

Die Steuerpolitik der vergangenen Jahre macht deutlich, dass ganz eindeutig eine Steuerpolitik zugunsten des Kapitals und zu Lasten der Lohnabhängigen erfolgte. Unter der CSV/LSAP-Regierung von Juncker wurde zusätzlich die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation erst ausgesetzt, und dann wurde sogar der betreffende gesetzliche Mechanismus ganz abgeschafft. Bettel und die DP/LSAP/Déi Gréng-Koalition änderten das nicht.

Trotz der punktuellen Steuerreform von 2017, welche die direkte Steuerlast für die kleinen und mittleren Einkommen ein klein wenig verringerte (wobei allerdings gleichzeitig die TVA kräftig erhöht wurde), darf man behaupten, dass Juncker und Bettel in wesentlichen Steuerfragen wie Speck und Schweinefleisch sind. Vor allem wenn es darum geht, das Großkapital und die Banken schadlos zu halten.

Im Gegensatz dazu würde »Steuergerechtigkeit« bedeuten, wenn die Steuerlast der Lohnabhängigen gesenkt und die des Großkapitals und der Finanzgesellschaften erhöht würde. Für die Ersteren eine jährliche Anpassung der Steuertabelle an die Lebenshaltungskosten, eine Abflachung der Steuerprogression, eine Befreiung des Mindestlohnes von der Einkommenssteuer, die Abschaffung der Steuerklasse 1A und die Reklassierung der Alleinerziehenden und Verwitweten in Steuerklasse 2. Und für die Letzteren eine Erhöhung der Körperschaftssteuer, der Vermögenssteuer, der Kapitalertragssteuer und der »Taxe d’abonnement« sowie die Abschaffung der »Tax rulings«.

Mit der Verwirklichung dieser und ähnlicher Maßnahmen käme man einer gewissen »Steuergerechtigkeit« schon ein gutes Stück näher. Aber diese Vorschläge sind nicht auf dem Mist der Juncker, Bettel und Co. gewachsen, sondern sind Teil des Programms der KPL zu den Chamberwahlen.

Wer sie verwirklicht sehen möchte, müsste wissen, was er am 14. Oktober zu tun hat.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek