Von 280 Tweet-Zeichen und falschen politischen Schlüssen

Noch sind es fast neun Monate bis zu den Chamberwahlen am 14. Oktober 2018, aber in den Parteien sind die Vorbereitungen längst angelaufen, und auch in den Medien stehen Chamberwahlen und parteipolitische Themen immer öfter im Mittelpunkt.

Dazu gehört, dass richtiger oder vermeintlicher Streit in den einzelnen Parteien oder zwischen den verschiedenen politischen Parteien ein dankbares Thema ist, das dann gerne auch mal aufgebläht wird, ohne dass aber grundlegende Fragen berührt werden.

Und als sei das im kleinen Luxemburger Mikrokosmos geradezu unumgänglich, wiederholt sich dieses Szenario vor jeder Wahl.

Meistens geht es dann um »Köpfe«, um den Nico hier und den Jhang da und um irgendwelche Etiquetten, die ihnen zu Recht oder Unrecht auf die Stirn geklebt werden. Oft ist das dann die Art von Information, bei welcher der politische Inhalt zu kurz kommt und bei der es bei oberflächlichen Betrachtungen bleibt, die manchmal zwar ganz unterhaltsam sein können, aber dem Wähler nicht dabei helfen, die tatsächlichen ideologischen und politischen Unterschiede zwischen den Parteien oder den Strömungen innerhalb von Parteien zu vermitteln. Nicht immer geschieht das ungewollt.

Andererseits besteht ganz offensichtlich aber auch bei den meisten Menschen nicht der Wunsch – oder sie geben an, nicht genügend Zeit zu haben –, sich umfassend über die Haltung der Parteien zu gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu informieren.

Das Oberflächliche dominiert, und was bleibt, sind in der Regel Gesichter von Kandidaten von Parteien, die Millionen ausgeben, um fortwährend in Wort und Bild zu erscheinen, und Schlagwörter, an denen die Menschen sich orientieren sollen.

Zehn Zeilen über ein kompliziertes Thema oder ein Tweet von maximal 280 Zeichen reichen inzwischen aus, um bei vielen den Eindruck aufkommen zu lassen, sie seien bestens informiert. Wozu dann auch noch einen Leitartikel von rund 3.000 Zeichen lesen, der die gefühlte Länge eines Romans hat, oder gar ein Wahlprogramm von zwei Dutzend Seiten?

Das ist keine Breitseite gegen knackige Kurzinformationen oder soziale Medien, soll aber unterstreichen, dass grundlegendes Wissen über die Parteien, ihre Haltung zu allen möglichen gesellschaftlichen Fragen, ihre politischen Programme und ihren Platz im Parteienspektrum auch das Bemühen voraussetzt, sich etwas mehr als nur oberflächlich zu informieren.Solches Wissen trägt dazu bei, dass man sogenannte »alternativen Fakten« oder selbst missglückte Formulierungen schneller erkennt und daraus keine falschen politischen Schlüsse zieht und sie dann auch noch verbreitet.

Aus Aktualitätsgründen sei hier auf ein Interview mit dem KPL-Präsidenten auf Radio 100,7 verwiesen. Wer das Interview in seiner vollen Länge von 13 Minuten nicht anhören will und sich auf den kurzen Begleittext oder gar nur die Titel und Zwischentitel beschränkt, wie das viel zu viele tun, der wird davon festhalten, der KPL-Präsident habe sich »gegen eine Fusion mit déi Lénk« ausgesprochen.

Tatsächlich aber tauchte im Interview zu keinem Zeitpunkt das Wort Fusion auf, sondern der KPL-Präsident sprach von der durchaus notwendigen Zusammenarbeit von linken und gewerkschaftlichen Kräften und auch einer möglichen punktuellen Zusammenarbeit mit déi Lénk.

Auf Facebook wurde die erfundene Fusionssache – aber in der Regel ohne die Audiodatei – in Windeseile verbreitet und sorgte für viel Gesprächsstoff. Wem nützt diese Ablenkung von den eigentlich zu lösenden Problemen?

Ali Ruckert

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek