Zusammen gegen die wachsenden Ungleichheiten

Tatsächlich gab es nach der Rede von Premierminister Bettel zur Lage der Nation doch Abgeordnete, die bemerkten, die Rede sei kurz gewesen. Als ob es auf die Länge ankomme!

Anders als in der sprichwörtlichen Kürze, fehlte in der Rede des Premierministers aber die Würze. Vor allem wurden ganze gesellschaftliche Bereiche ausgeklammert, beziehungsweise so dargestellt, dass manche Zuschauer und Zuhörer von Chamber TV den Eindruck bekamen, sie seien im falschen Film.

Dabei hätte der Premier es leicht gehabt, sich ein Bild von den tatsächlichen Problemen von großen Teilen der Bevölkerung zu machen, hätte er im Vorfeld zum Beispiel einen Blick in den »Sozialalmanach« der Caritas geworfen, oder das »Sozialpanorama« der Salariatskammer studiert.

Noch weniger zeitraubend, wenn auch länger als ein Tweet, wäre gewesen, die sechsteilige Serie in der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« über die im »Sozialpanorama« festgestellten wachsenden Ungleichheiten zu lesen. Daraus ging hervor, dass immer mehr Menschen von Armut bedroht sind und am Monatsende die beiden Enden nur unter großem Verzicht oder gar nicht zusammenbekommen, und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht. Aber will die Regierung das überhaupt hören?

Die Politik der Dreierkoalition von DP, LSAP und Grünen reduzierte sich weitgehend darauf, den von der CSV und LSAP zuvor praktizierten Sozialabbau fortzusetzen, bevor die Sparpolitik auf Druck der Gewerkschaften und infolge katastrophaler Umfragewerte abgefedert wurde. Doch die Steuerreform von 2017 ging nicht weit genug, um die zuvor beschlossenen sozialen Grausamkeiten aufzuheben und führte zusätzlich auch noch zu weiteren Steuergeschenken für das Kapital, dessen Anteil am Gesamtsteueraufkommen immer kleiner wird.

Zusätzlichen Nachhilfeunterricht für die Regierung gab es anlässlich der Kundgebung des OGBL zum 1. Mai. Zehntausende Lohnabhängige und Familien warten immer noch auf eine strukturelle Erhöhung des Mindestlohns, eine gesetzliche Kürzung der Arbeitszeiten, eine Anpassung der Familienzulagen an den Medianlohn und der Steuertabellen an die Inflation, oder darauf, dass der Deregulierung der Ladenöffnungszeiten ein Ende gesetzt wird.

Diese negative Bilanz hinderte mehrere LSAP-Minister allerdings nicht daran, sich in der ersten Reihe der OGBL-Kundgebung zu räkeln und jedes Mal zu klatschen, wenn der OGBL-Präsident der Koalition die Leviten las. So als hätten sie nichts mit der Regierung zu tun und seien nicht mitverantwortlich dafür, dass die Ungleichheiten während der vergangenen Jahre größer statt kleiner wurden.

Angesichts dieser Entwicklung braucht die Notwendigkeit von starken Gewerkschaften wohl nicht besonders unterstrichen zu werden. Aber genau so wichtig ist, dass es im Parlament eine Kraft geben muss, welche einerseits die Forderungen der Gewerkschaften zur Diskussion bringt und sie konsequent verteidigt und andererseits politische und gesellschaftliche Alternativen im Interesse der Schaffenden entwickelt, welche dazu führen, dass die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft wird – wie es im Programm der KPL zu den Chamberwahlen dargelegt wird.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek