Die Lohnabhängigen brauchen kürzere Arbeitzeiten

Neben Lohnerhöhungen gehört Arbeitszeitverkürzung zu den Forderungen, die seit jeher die gewerkschaftlichen Debatten prägen. Das ist eigentlich nicht mehr als normal, denn Ausbeutung hat nicht nur etwas damit zu tun, wie hoch der Verkauf der Arbeitskraft bezahlt wird und wie stark die Arbeitsintensität ist, sondern auch wie lang der Arbeitstag und die Wochenarbeitszeit sind. Längere Arbeitszeiten bedeuten in der Regel auch immer höhere Ausbeutung für den Lohnabhängigen und Extra-Profite für den Unternehmer, besonders dann, wenn die Produktivität hoch ist.

Daher war der Einsatz der Gewerkschaften für kürzere Arbeitszeiten auch immer ein Kampf im Sinne des Fortschritts. Das ist heute nicht anders.

Im Gegensatz dazu wehrte sich das Kapital immer gegen kürzere Arbeitszeiten und malte regelrecht den Teufel an die Wand, als seinerzeit der Achtstundentag und die 40-Stundenwoche gesetzlich verankert werden sollten. Und es gab und gibt bis heute seitens des Patronats systematisch Bestrebungen, längere Arbeitszeiten durchzusetzen oder einen Teil der Arbeitszeit, zum Beispiel Überstunden, nicht zu bezahlen.

Inzwischen ist die 40 Stundenwoche gänzlich verwässert, wozu auch das 1999 erstmals beschlossene PAN-Gesetz beitrug, und die Flexibilisierung nimmt nicht nur im Handel immer größere salariatsfeindliche Ausmaße an.

Nun muß Flexibilisierung natürlich nicht ausschließlich im Sinne des Patronats sein, denn auch Lohnabhängige wollen zunehmend Arbeitszeiten, »die zu ihrem Leben passen«, aber das macht natürlich nur Sinn, wenn es ihnen gelingt, im Kräfteverhältnis mit dem Patronat, Arbeitszeitelemente durchzusetzen, die für sie von Nutzen sind.

Ein Mittel, flexible Arbeitszeiten im Sinne des einzelnen Lohnabhängigen einzuführen, können Arbeitszeitkonten sein, wie sie der Präsident des OGBL gestern in der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« in einer Freien Tribüne forderte, vorausgesetzt die fünf Prinzipien, die seitens der Gewerkschaft genannt werden, darunter die Einführung eines entsprechenden Rahmengesetzes, können erstens durchgesetzt und zweitens in der Praxis bestehen.

Inzwischen sieht es allerdings so aus, dass nicht nur die Regierung wenig Interesse daran zu haben scheint, im Privatsektor ein Gesetz zu machen, das sich im Sinne der Lohnabhängigen auswirken würde. Auch das Kapital ist inzwischen wieder von den Prinzipien abgerückt, auf welche sich die Gewerkschaft beruft und denen die Patronatsvertreter im Wirtschafts- und Sozialrat zugestimmt hatten. Aber das war vor über 13 Jahren!

Die Frage gesetzlich geregelter, kürzerer Arbeitszeiten, nicht nur für den Einzelnen, sondern für die Lohnabhängigen insgesamt, – und sei es die 35-Stundenwoche mit Lohnausgleich, wie sie die KPL fordert – ist daher keineswegs überlebt, wie das kürzlich in einer Tageszeitung behauptet wurde. Denn die wöchentliche Arbeitszeit (und die Ausbeutung) von Vollzeitbeschäftigten in Luxemburg ist mit 40,9 Stunden (2016) noch immer viel zu hoch.

Wie für Arbeitszeitkonten gilt aber auch für Arbeitszeitverkürzungen generell, dass Veränderungen im Interesse der Lohnabhängigen nur möglich sind, wenn ein soziales und politisches Kräfteverhältnis geschaffen werden kann, das solche positiven Entwicklungen möglich macht. Packen wir’s also an!

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek