Sofortmaßnahmen sind notwendig

Der Einzelhandel zeigt sich besorgt darüber, dass den Kunden das Geld nicht mehr so locker in der Tasche sitzt. Auf breiter Front sei eine merkliche Zurückhaltung festzustellen, die sich unübersehbar in statistischen Zahlen zeige, so der Generaldirektor einer großen Supermarktkette.

Überraschen darf das neue Kaufverhalten der Konsumenten nicht. Es ist die logische Folge von jahrelangem Sozialabbau, anhaltender Arbeitslosigkeit und zunehmender Armut.

Eine Entwicklung, die sich seit dem Beginn der kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftskrise wesentlich verschärft hat.

Weitere Ursachen für das neue Kaufverhalten sind die seit Jahren stagnierenden Löhne, die horrenden Mieten, die drastischen Taxenerhöhungen auf kommunaler Ebene sowie die merklich gestiegenen Preise für Kleidung und Nahrungsmittel.

Tatsache ist, dass vielen Haushalten seit Jahren immer weniger Geld zur Verfügung steht, was sie notgedrungen dazu zwingt, jeden Euro mehrmals in der Hand zu drehen, bevor sie sich dazu entscheiden, ihn auszugeben. Mit der Folge, dass immer häufiger Waren, die einst zu den Einkaufsgewohnheiten der Konsumenten zählten, in den Regalen zurückbleiben. Aus Angst, nicht schon lange vor Monatsende mit leeren Taschen da zu stehen.

Das den Konsumenten aufgezwungene neue Kaufverhalten fällt allerdings nicht nur in Städten wie Esch oder Differdingen auf, in denen durchschnittlich die meisten Arbeitslosen, RMG-Bezieher und Niedriglohnverdiener leben.

Auch aus anderen Teilen des Landes hört man von immer größer werdenden sozialen Problemen, von denen allerdings nicht nur Arbeitslose und Kurzarbeiter betroffen sind, sondern zunehmend auch Erwerbstätige mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Statistiken, die auf eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung hinweisen, sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache.

Eine Wende zum Positiven steht nicht bevor, dies trotz der von den Regierungsparteien als Jahrhundertreform gefeierten Steuerreform. Denn nicht nur müssen Mindestlohnverdiener weiter Steuern zahlen, auch das Patronat steht bei Lohnfragen weiter fest mit beiden Füßen auf dem Bremspedal. Mit dem Resultat, dass es seit Jahren so gut wie keine lineare Lohnaufbesserungen mehr gibt. Schlimmer noch, in so manchen Sektoren sind Einstiegslöhne gekürzt, Lohntabellen außer Kraft gesetzt und Errungenschaften aus alten Jahren gestrichen worden. Anzunehmen ist, dass das Patronat auch in den nächsten Jahren an dieser Lohnpolitik festhalten will.

Um der zunehmenden Armut allerdings entgegen wirken zu können, bedarf es von Patronatsseite einer anderen Lohnpolitik, und von Regierungsseite endlich einer Politik, in welcher nicht weiter der Profit der Unternehmen, sondern der Mensch im Mittelpunkt stehen muss.

Statt Sozialabbau und Reallohnverlusten muss deshalb als Sofortmaßnahme eine 20-prozentige Anhebung des Mindestlohns her. Eine weitere Maßnahme, die das Einkommen finanzschwacher Haushalte verbessern würde, wäre die Mindestlohnverdiener vom Zahlen von Lohnsteuern zu befreien. Gelder, die zweifelsohne größtenteils auf direktem Weg in den Konsum fließen würden, wovon an erster Stelle kleinere Betriebe sowie der Einzelhandel profitieren würden.

Es kann nicht weiter hingenommen werden, dass arbeitende Menschen und Rentner immer wieder den Riemen enger schnallen müssen, während – wie im Kapitalismus üblich – das Finanz- und Großkapital unaufhaltsam wachsende Gewinne vermelden kann.

gilbert simonelli

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek