Ziel Vollbeschäftigung aufgegeben?

Bald sind es vier Jahre her, daß die A.s.b.l. mit dem hehren Namen »Objectif Plein Emploi« Konkurs anmelden mußte. Trotz einer allmählichen Rückkehr zum Vorkrisenniveau scheint das bis vor ein paar Jahren auch von der – seitdem stets mitregierenden – LSAP vertretene Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen, in weiter Ferne.

Problematisch für die Gewerkschaften ist dabei, daß Arbeitslosigkeit nach der neoliberalen Doktrin ein wirkungsvolles Disziplinierungsmittel im Kapitalismus ist.

Wenn die Schaffenden nämlich wissen, daß es für sie unter der herrschenden Gesellschaftsordnung keine »Arbeitsplatzgarantie« gibt, sind sie eher bereit, in Kollektivvertragsverhandlungen »Kompromisse« zu machen, und auch bemüht, sich gegenüber ihrem Patron »diszipliniert« zu verhalten.

In Deutschland und längst auch in Frankreich läßt sich beobachten, wie die ökonomisch Herrschenden die auf hohen Niveaus stabilisierte Arbeitslosigkeit dazu benutzen, um tiefgreifende Umgestaltungen der Sozialverhältnisse im Kapitalinteresse durchzusetzen. Denn die Existenzunsicherheit hat sich so sehr verallgemeinert, daß bei einer Mehrheit der Verkäuferinnen und Verkäufer der Ware Arbeitskraft ein Gefühl der Ohnmacht vorherrscht – statt einer Bereitschaft zur Auflehnung gegen eine ihren Interessen zuwiderlaufende Politik.

Um tatsächlich Vollbeschäftigung zu erreichen – oder zumindest wie noch vor ein paar Jahren daraufhin zu arbeiten – müßte zunächst einmal die Wochen- und die Lebensarbeitszeit verkürzt werden – und zwar bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

So könnte die Chambermehrheit der Forderung der Kommunisten nachkommen und auf gesetzlichem Weg die 35-Stunden-Woche für alle einführen sowie das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65 auf 60 Jahre senken. Weiter fordert die KPL schon seit Jahren, daß Schaffende, die 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, schon mit 57 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand treten dürfen.

Da es im Zuge der offensichtlich noch immer nicht ausgestandenen kapitalistischen Krise zu weiteren Konkursen kommen dürfte, ist auch die Forderung noch immer aktuell, die Löhne und Arbeitsplätze der von einem Konkurs betroffenen Schaffenden mit einer staatlichen Auffanggesellschaft abzusichern.

Sodann müßte die Zahl der Überstunden auf ein striktes Minimum reduziert werden. Dies könnte eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer erreichen, indem sie Betriebe, in denen regelmäßig Überstunden geleistet werden müssen, per Gesetz verpflichtet, endlich in einem angemessenen Umfang Neueinstellungen vorzunehmen.

Daß die Zahl der Leiharbeitsverhältnisse in den vergangenen Krisenjahren deutlich zurückgegangen ist, sollte hingegen nicht traurig stimmen, zeigt der Einbruch des Interimsektors doch, wie leicht sich eine Zeitarbeitsfirma ihrer überflüssigen Mitarbeiter entledigen kann. Während Zeitarbeitsverträge per Gesetz reduziert werden sollten, gehört die Leiharbeit langfristig ganz abgeschafft.

Und anstatt über den vergleichsweise hohen Anteil an Arbeitsuchenden mit geringer Qualifikation zu lamentieren, sollte auch der KPL-Forderung nach Investitionen in Wirtschaftsbereiche, die wie z.B. der Obst- und Gemüseanbau oder die Holzindustrie in Luxemburg unterentwickelt sind, nachgekommen, und endlich die dringend benötigten zusätzlichen Arbeitsplätze im Sozial- und Gesundheitssektor geschaffen werden.

Oliver Wagner

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek