»Looss et rullen« – aber wann?

Als die neue alte Regierungskoalition ankündigte, den öffentlichen Transport gratis machen zu wollen, hagelte es Begeisterungsstürme über diesen angeblichen Vorbildcharakter in der Transportpolitik in der europäischen Medienlandschaft. In Sachen Klimaschutz und Straßenverkehr sei diese Ankündigung geradezu revolutionär.

Nun kann man diesen Berichterstattern und Anhängern einer solchen Politik im Ausland ihre Begeisterung kaum übelnehmen, sind doch die wenigsten von ihnen regelmäßig hierzulande auf den öffentlichen Transport angewiesen. Noch weniger von ihnen wußten vermutlich, daß das Einzelticket, ob von Esch/Alzette nach Rodange oder von Düdelingen nach Weiswampach, ohnehin spottbillig war. Wer aber regelmäßig in den »Genuß« kommt, mit Bus und Bahn unterwegs zu sein, dem fällt, vor allem auch in Anbetracht der rezenten politischen Entscheidungen schon auf, daß nicht alles gratis ist, was da so glänzt.

Denn bereits vor einiger Zeit wurde angekündigt, daß die mittlerweile liberalisierte Kontrollstation ihre Preise für die verbindlichen Kontrollen kräftig erhöht. Im Zuge einer Liberalisierung, welche immer mit steigenden Preisen einhergeht, sicher nichts Ungewöhnliches. Mit Blick auf die Transportpolitik des grünliberalen Verkehrsministeriums allerdings schon.

Darüberhinaus kündigte der Wirtschaftsminister nun an, daß zum 1. Mai die Preise von Benzin und Diesel ansteigen sollen, »um den Verbrauch zu drosseln«. Direkt gefolgt von der Drohung, daß »weitere Maßnahmen« bereits in der Schublade lägen, sollte das Volk nicht hörig sein. Daß es beim Kauf Vergünstigungen auf Fahrräder und E-Bikes gibt, lassen wir hier unter den Tisch fallen, da es in der Berufsmobilität keine wesentliche Rolle spielt. Auch Elektro-Autos sind nach wie vor zu teuer und ineffizient.

Was hier passiert ist genau das, was an dieser Stelle schon ganz zu Beginn der Schaffenszeit des grünen Verkehrsministeriums vorausgesehen wurde: Anstatt für einen konkurrenzfähigen öffentlichen Transport im ganzen Land und nicht nur auf den Grenzgänger-Routen zu sorgen, wodurch die Menschen selbst auf die Idee kämen, das Auto stehen zu lassen, wird das Pferd von hinten aufgezäumt: Verteuerungen, Repressionen, Verbote.

Selbst der Mouvement Ecologique hat in einer rezenten Mitteilung bemerkt, daß die Maßnahme der Verteuerung des Kraftstoffs zum 1. Mai keinerlei klimapolitischen Effekt haben werde. Allerdings stößt die Organisation ansonsten ins selbe, oben beschriebene Horn: Wer, aus welchen Gründen auch immer, das Auto dem öffentlichen Transport für den Weg zur Lohnarbeit vorzieht, soll sanktioniert werden. Als handelten sich solche Fahrten um Lustreisen. Die vorgesehenen und auch für die Zukunft angedrohten Maßnahmen werden außerdem dafür sorgen, daß auch ganz andere Bereiche leiden: Sollen etwa Fußballmannschaften künftig mit dem Zug zum Spiel fahren, damit die Kosten für Eltern und Klubs nicht steigen? Denn das ist der Punkt: Eine Erhöhung der Kosten für den Individualverkehr sind ein Rundumschlag und nicht zielgenau. Dies leuchtet natürlich einer Besserverdiener-Partei wie »déi gréng« nicht ein: Daß der tägliche Transport eng an die soziale Frage gekoppelt ist und kein Lifestyle. Deswegen auch das mangelnde Interesse der Politik an der Arbeitsqualität bei der Tram.
Und solange man sonntags etwa von Düdelingen nach Sassenheim mit dem öffentlichen Transport noch über eine Stunde benötigt, wo das Auto 15 Minuten braucht und die Verbindungen etwa nach Trier und darüber hinaus derart lamentabel bleiben, können noch so viele Umsteigeplattformen auf den Hauptachsen gebaut werden: Ein öffentlicher Transport, der ineffizient bleibt, macht auch gratis keinen Sinn.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek