So kann es nicht weitergehen

Es reicht ein Blick hinter die Betriebsfassaden, um festzustellen, dass sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren in vielerlei Hinsichten verschlechtert haben. In vielen Betrieben herrscht wieder die Mentalität, dass allein die in den Chefetagen das Sagen haben, und alle anderen die Vorgaben ohne Widerrede zu befolgen haben. Sogar dann, wenn diese nicht im Einklang mit Kollektivvertrag und Arbeitsrecht sind.

Wenn dies auch nicht allerorts so der Fall ist, so wuchs in den letzten Jahren allerdings die Zahl jener Unternehmen, in denen das Wort Mitbestimmung selbst unter Anwendung des stärksten Vergrößerungsglases kaum noch zu sehen ist. Was zur Folge hat, dass die Arbeitsbedingungen in solchen Betrieben schlechter und die Beschwerden der Schaffenden lauter werden.

Das Patronat sei dabei, das Rad der Geschichte um Jahrzehnte zurückzudrehen. Abkommen würden zwar weiter ausgehandelt, nur eingehalten würden sie von Patronatsseite immer seltener. Die Verfehlungen, die den Erwerbstätigen dabei aufgezwungen würden – und dies nicht nur in Betrieben, in denen es keine gewerkschaftliche Vertretung gibt – seien vielfältig, so die Beschwerden von Personalvertretern.

Auch bei ArcelorMittal hätten Umstrukturierungen, Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitszeitorganisation in so manchen Sektoren inzwischen Ausmaße angenommen, die den Beschäftigten kaum noch zuzumuten sind. Unter anderem gelte dies auch für die zunehmende Missachtung der vorgeschriebenen Ruhepausen zwischen den Schichten. Erscheine beispielsweise bei Schichtschluss, aus welcher Ursache auch immer, die Ablöse nicht, so komme es immer häufiger vor, dass Arbeiter ihren Posten nicht verlassen dürfen. Des Öfteren bleibe es dabei nicht nur bei einigen wenigen Überstunden. Fakt sei, dass den Beschäftigten über diesen Weg immer häufiger Mehrarbeit und Überstunden aufgezwungen werden.

Dass der Unmut bei den Beschäftigten der Stahlindustrie wächst, ist verständlich. Denn in so manchen Abteilungen sind die Belegschaften seit Jahren schon unterbesetzt. So meinten uns gegenüber zahlreiche Produktionsarbeiter aus dem Belvaler Walzwerk, dass bei ihnen schon seit geraumer Zeit akuter Personalmangel herrsche. Statt jedoch neue Arbeitskräfte einzustellen, sei vorgesehen, weitere Posten abzubauen, normale Abgänge nicht mehr zu ersetzen.

Freizeit und Urlaub seien unter solchen Umständen kaum noch zu planen. Würde nicht schleunigst etwas dagegen unternommen, dann komme es noch so weit, künftig seine Zelte im Betrieb aufschlagen zu müssen, um jederzeit abrufbar zu sein. Stress, Druck und Hetze demnach, wie sie größer nicht sein können.

Das könne so nicht länger hingenommen werden. Zumal die Verhandlungen zur Erneuerung des Kollektivvertrags erneut auf der Stelle treten, und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen über diesen Weg somit kurzfristig kaum zu erwarten sind.
Alle in der Gesprächsrunde – Produktionsarbeiter und Personalvertreter – waren sich einig, dass dem Patronat ein für allemal klar und deutlich am Verhandlungstisch vermittelt werden müsse, dass auch die besten Motoren nicht dauerhaft auf Hochtouren laufen können, andernfalls sie zu explodieren drohen.

Damit wäre den betroffenen Arbeitskräften nicht gedient, der Produktion aber auch nicht.

gilbert simonelli

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek