Von Ungerechtigkeiten, und was dagegen zu tun ist

Diese Woche wurde eine Meinungsumfrage veröffentlicht, welche die Zeitung des Erzbischofs und RTL in Auftrag gegeben hatten und aus welcher hervorgeht, dass es in Luxemburg »ein generelles Gefühl der Ungerechtigkeit« gibt. Laut der Umfrage, bei der 1.027 »wahlberechtigte« Einwohner befragt wurden, sollen 50 Prozent das Gefühl haben, dass die Gesellschaft nicht gerecht ist.

Diese Darstellung ist aber eine Irreführung der Öffentlichkeit, weil die Ungerechtigkeit auf ein »Gefühl« und also eine subjektive Wahrnehmung reduziert wird. Dabei ist die Ungerechtigkeit in dieser Gesellschaft allgegenwärtig und lässt sich an Fakten festmachen. Ein Beispiel: Wenn ein Lohnabhängiger mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro Steuern in Höhe von 9.743 Euro entrichten muss, während bei Kapitaleinkünften in gleicher Höhe nur 2.007 Euro an Steuern zu bezahlen sind, dann ist das, unabhängig von allen Gefühlen, ungerecht. Und es ist genau diese Ungerechtigkeit, welche zu wachsenden sozialen Ungleichheiten führt.

Alles andere als eine Überraschung ist es daher, wenn aus der Umfrage hervorgeht, dass mehr als vier Fünftel der Menschen, die ein Monatseinkommen unter 4.000 Euro haben, anmerken, dass es ungerecht in dieser Gesellschaft zugeht, weil sie dies oft tagtäglich am eigenen Leib spüren.

Diese Ungerechtigkeiten treten in allen Gesellschaftsbereichen zutage, was im real existierenden Kapitalismus zur Normalität gehört, da die bestehenden gesellschaftlichen Mechanismen sie immer wieder reproduzieren – auch und besonders in der Arbeitswelt, in welcher die Ausbeutung oft hoch und die Löhne klein sind, während wenige Aktionäre sich den allergrößten Teil des von vielen Lohnabhängigen geschaffenen Mehrwerts in die eigene Tasche stecken. Das ist das Gegenteil von gerecht.

Als die Kommunistische Partei die wachsenden Ungerechtigkeiten und sozialen Ungleichheiten vor weniger als zwei Wochen während einer Pressekonferenz anprangerte, wurde das nur von einem Teil der Medien zur Kenntnis genommen. Auch das ist eigentlich die Regel, wobei man wissen muss, dass Einladungen der KPL bei der Bistumszeitung, die von sich sagt, sie sei »für Wahrheit und Recht«, ohnehin systematisch in den Papierkorb wandern.

Aber auch die Feststellung, die KPL habe auf ihrer Pressekonferenz »ein düsteres Bild« der Lage des Landes gezeichnet, ist irreführend. Denn die gleichen oder ähnlich realistische Beispiele wie sie die KPL anführte, um die Lage zu beschreiben, benutzte in jüngerer Zeit auch verstärkt die Gewerkschaftspresse, ohne der Schwarzmalerei verdächtigt zu werden.

Natürlich kommt es vor allem darauf an, diese Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zu überwinden, weshalb die KPL, die grundsätzlich und längerfristig für grundlegende Veränderungen im Sinne einer Überwindung des Kapitalismus eintritt, ein Dringlichkeitsprogramm vorgeschlagen hat. Das umfasst soziale als auch arbeitsrechtliche Maßnahmen, welche kurzfristig zu mehr Gerechtigkeit und weniger Ungleichheit führen können – darunter eine Erhöhung des Mindestlohnes um 14 Prozent, staatliche Beihilfen, die sicherstellen, dass niemand im reichen Luxemburg in Armut leben muss, konkrete Maßnahmen gegen prekäre Arbeitsbedingungen und Wohnungsnot, aber auch höhere Kapitalsteuern.

Womit die Voraussetzung geschaffen wäre, um nicht nur das Gefühl der Ungerechtigkeit, sondern die Ungerechtigkeit selbst abzuschaffen.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek