Wider die törichte Impfmuffelei

Impfen ist eigentlich eine ziemlich einfache Sache. Einen kurzen Piks über sich ergehen lassen, dann mit einer leicht geröteten Einstichstelle ein paar Tage klarkommen – und schon ist der oder die Geimpfte in der Regel gegen eine Krankheit immun, die weit dramatischere Folgen haben kann als der Pikser. Trotzdem breiten sich Masern nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wieder stark aus. In den vergangenen zwei Jahren habe sich die Zahl der erfaßten Masernfälle verdoppelt, teilte die WHO vergangene Woche mit.

Im vergangenen Jahr seien 229.000 Fälle der das Zentralnervensystem befallenden Infektionskrankheit gemeldet worden. In Europa habe sich die Zahl der gemeldeten Masernfälle sogar auf 60.000 verdreifacht, wobei diese Entwicklung vor allem auf die Ausbreitung der Krankheit in der Ukraine zurückgehe.

Für die neuerliche starke Ausbreitung der Masern machen die WHO-Experten den zu geringen Impfschutz mitverantwortlich. Als die Hauptursachen dafür nennen sie die schlechte Erreichbarkeit von Menschen in Konfliktregionen sowie das von unverantwortlichen Dummschwätzern auch noch angeheizte schwindende Vertrauen in Impfungen.

Leider wissen noch immer viele Menschen nicht, daß die Masern weltweit, vor allem in den tropischen und den in Unterentwicklung gehaltenen Ländern, die dritthäufigste Todesursache bei kleinen Kindern sind. Weil der Mensch aber das einzige Lebewesen ist, das das entsprechende Virus beherbergt und das an Masern erkranken kann, wäre eine Lösung eigentlich sehr einfach: Wenn alle bzw. ein hoher Prozentsatz der Säuglinge und Kinder gegen Masern geimpft wären, so daß sie lebenslang immun wären, dann würde das Virus von der Welt verschwinden.

Was für Masern gilt, gilt auch für Pocken, für Kinderlähmung und für Hepatitis B. Diese gefährlichen, da hochansteckenden Krankheitserreger gibt es ausschließlich beim Menschen. Im Kampf gegen die Pocken waren wir erfolgreich. Durch ein konsequentes Impf- und Bekämpfungsprogramm der WHO und anderer Gesundheitsorganisationen wurde erreicht, daß die Welt 1980 für pockenfrei erklärt werden konnte. Auch bei der Poliomyelitis (Kinderlähmung) stehen wir kurz vor der weltweiten Ausrottung. Warum sollte uns das nicht auch bei den Masern gelingen?

Das Masernvirus würde aussterben, wenn wir 95 Prozent der Menschen zweimal mit der Impfung erreichen könnten. Dadurch könnte sich das Virus auch bei einer Einzelfallinfektion nicht weiter ausbreiten – Wissenschaftler sprechen in diesem Fall von Herdenimmunität. In der DDR, aber auch in den USA, wo in mehreren Bundesstaaten das strikte Prinzip »No vaccination, no school« (Keine Impfung, kein Schulbesuch) gilt und unter der Androhung von Sanktionen durchgesetzt wird, ist das weitgehend gelungen.

Auch in Tschechien, Ungarn und weiteren europäischen Ländern besteht mittlerweile Impfpflicht unter anderem für Masern; in Italien ist sie vorerst bis zum nächsten Jahr begrenzt. Zuletzt wurden Eltern in Frankreich gesetzlich verpflichtet, ihre ab dem 1. Januar 2018 geborenen Kinder gegen Masern und zehn weitere ansteckende Krankheiten impfen zu lassen – andernfalls dürfen sie auch dort keine öffentliche Kindergrippe, Schule oder sonstige Betreuungseinrichtung mehr besuchen.
Impfen ist keine Privatangelegenheit. Wann erkennen das die in Luxemburg Verantwortlichen?

Oliver Wagner

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek