Der Brocken des CSV-Präsidenten und die Privilegien der Reichen

Als er im Januar 2019 zum neuen CSV-Präsidenten gewählt wurde, hatte Frank Engel gefordert, die CSV müsse »erkennbar anders« werden. Offen gelassen hatte der einstige Anhänger des rechtslastigen »Cercle Joseph Bech«, ob damit der Stil, das Programm oder beides gemeint war.

Daran hatte sich seither wenig geändert, es sei denn, man wollte in den Steinen, welche der CSV-Präsident seither periodisch ins Wasser warf und die – vor allem in der eigenen Partei – kleine Wellen schlugen, den Versuch sehen, »erkennbar anders« zu wirken.

Allerdings brachte der Brocken, den der CSV-Präsident seiner Partei dieser Tage vor die Füße knallte, das Faß zum Überlaufen, und Herr Engel war gezwungen, nach Canossa zu gehen und sich vor dem virtuell versammelten Nationalvorstand Asche aufs Haupt zu streuen.

Im wurde nicht so sehr zum Verhängnis, dass er in einem Interview politische Überlegungen entwickelte, die so nicht im jüngsten Wahlprogramm der CSV zu finden sind, sondern dass seine Forderungen einem Frontalangriff auf die Vermögen der Reichen gleichkamen.

Das aber müssen die Würdenträger der »Christlich-Sozialen« fast wie eine Gotteslästerung empfunden haben, denn die CSV stand in der Vergangenheit immer auf der Seite der Reichen, wenn auch nicht in ihrem politischen Diskurs, sondern in ihrem politischen Handeln in der Regierung.

Es war die CSV, die mit der Komplizenschaft der LSAP im Jahre 2006 die Vermögensteuer für Reiche abschaffte, jene Steuer, die der CSV-Präsident nun wieder einführen und durch eine Erbschaftssteuer in direkter Linie ergänzen will.
Das musste in den Ohren der Führung und der meisten Abgeordneten der CSV wie Verrat klingen, denn eine Vermögenssteuer und eine Erbschaftssteuer für die Reichen sind Forderungen, die man im Wortlaut im Programm der KPL findet und die im besten Fall in abgeschwächter Form noch von einer kleinen Minorität von CSV- und LCGB-Mitgliedern vertreten werden, die noch an der katholischen Soziallehre festhalten.

Schlimmer hätte es nur noch kommen können, hätte der CSV-Präsident parallel zur Reichensteuer auch noch eine Erhöhung der Kapitalsteuern gefordert. Denn damit hätte er die Jahrzehnte lange Steuerpolitik der CSV, die darin besteht, die Kapitalsteuern massiv und systematisch zu senken und Mega-Profite möglicht wenig zu besteuern, ad absurdum geführt.

Nach diesem Sommertheater will die CSV, in der es bekanntlich auch in Normalzeiten wie in einem Krabbenkorb zugeht, in Arbeitsgruppen »intensive inhaltliche Debatten« führen. Allerdings ist keineswegs ein Richtungswechsel zu erwarten. Das heißt, dass die CSV auch weiterhin versuchen wird, sich in ihrer Propaganda volksnah zu geben, um sich als »Partei des kleinen Mannes« zu profilieren, parallel dazu aber ein Programm verabschieden wird, das den Reichen und dem Kapital garantieren wird, nicht an deren Privilegien zu rütteln.

Dass das genügen könnte, um an die Fleischtöpfe zurückzukehren, steht auf einem anderen Blatt, denn von den jetzigen Regierungsparteien wird sie sich damit unterschieden wie Speck und Schweinefleisch. Ob mit oder ohne Engel.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek