Der deutsche Weg durch die Pandemie

Nachdem die Zahlen der täglichen Neuinfektionen mit dem neuartigen Corona-Virus in letzter Zeit wieder gestiegen waren, sahen es viele nur noch als eine Frage der Zeit, bis Deutschland reagiert. Am vergangenen Freitagabend war es dann soweit : Das Außenministerium informierte in einer kurzen Mitteilung darüber, daß die 2. Einstufung zum »Risikogebiet« nach Juli und die in diesem Jahr nunmehr dritte Einschränkung der Bewegungsfreiheit in Richtung unseres östlichen Nachbarn kommt.

Die Meßlatte von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner wurde in der Vorwoche gleich mehrfach gerissen, und so dürfen wir uns wieder mit Quarantäneverordnungen sowie deren Ausnahmen und vielen Unsicherheiten und Fragen herumschlagen, wenn eine Fahrt nach Deutschland ansteht. Viele Menschen hierzulande scheinen mittlerweile entnervt abzuwinken, und immer mehr Menschen sehen auch die Verhältnismäßigkeit immer neuer Umgehungen des Schengener Abkommens nicht mehr, insbesondere, wenn sich Reisende aus Deutschland ungehindert hierzulande aufhalten können, die ja nicht per se negativ sein müssen. Dies zum Beispiel am vergangenen Sonntag in Düdelingen beim Spiel des F91, zu welchem sogar Fußballinteressierte von der Ostseeküste angereist waren. Auch Schweizer tummeln sich noch immer zahlreich im Lande, während Luxemburgern seit letzter Woche auch dort erneut die Tür verschlossen bleibt.

Auffällig ist insbesondere auch die steigende Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen und die Frage, warum etwa die gesamten Kanarischen Inseln von Deutschland zum Seuchengebiet erklärt wurden, obwohl die Fallzahlen sich auf wenige Orte beschränken, während man innerhalb Deutschlands problemlos von einem Corona-Hotspot zum nächsten tingeln und Partys feiern kann.

Während innerhalb Deutschlands, welches sich mittlerweile schon auf seine eigene Risikoliste setzen könnte, so sehr eskalieren die Fallzahlen, regionale und lokale Beschränkungen vorgenommen werden, müssen andere EU-Staaten in großen Teilen oder, wie Luxemburg, gar gänzlichst, unter Abriegelung leiden. Man wird mittlerweile das Gefühl nicht los, daß Gesundheitsminister Spahn während die Risiko-Einstufungswelle letzte Woche rollte, nicht umsonst besonders betonte, die Deutschen sollen im Herbst und Winter im eigenen Land bleiben. Vielleicht die Einstufung als Mittel, dem eigenen Handel und Tourismus einen Schub zu geben ?

Spätestens bis Ende Oktober sollte Luxemburg von der Zombie-Liste runter sein, denn wenn die neue Quarantäne-Regelung so kommt, wie geplant, wird auch ein negativer Test nicht mehr ausreichen, die Verwandten oder Freunde in Perl oder Trier zu besuchen, während der Tank- und Einkaufstourismus weiter blüht. Freilich wird das Geld in den Kassen dringend benötigt aber logisch sind diese einseitigen Schließungen nicht und das empfinden immer mehr Bürger so. Es müssen endlich neue Erkenntnisse in die deutschen und internationalen Bewertungskriterien einfließen. Auch in einer Pandemie kann die Reisefreiheit unter Einhaltung der hygienischen Maßnahmen gewährt werden.

Man hat das kuriose Gefühl, die gegenseitige Risikolistungen der EU-Staaten sind eine Fortführung der alten Abstimmungs-Schlacht beim »Eurovision Song Contest« mit anderen Mitteln. Gleichzeitig schweigt Brüssel betreten dazu. Die EU offenbart damit, daß die in Vor-Coronazeiten geschwungenen Floskeln von »Haus Europa« oder »Großregion« das Papier nicht wert sind, auf dem sie prangen. Der von der Kommission versprochene einheitliche Weg soll wohl der deutsche sein.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek