Die Regierung wird die Armut nicht freiwillig beenden

Es gibt Zufälle, die wie die Faust aufs Auge passen. An dem Tag, an dem Caritas anhand der Auswertung ihrer Corona-Helpline darauf aufmerksam machte, dass sich die Armut in Luxemburg weiter ausbreitet, bestätigte die US-amerikanische Ratingagentur Moody’s die Spitzennote »Triple A« in Bezug auf die Kreditwürdigkeit Luxemburgs.

Dies bestätigt einmal mehr, dass Luxemburg ein reiches Land mit vielen Armen ist. Dabei ist die von Caritas geschilderte Entwicklung nur die Spitze des Eisbergs. Dass die Armut zunimmt, ist seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 bekannt, und dass die gegenwärtige Wirtschafts- und Gesundheitskrise wie ein Katalysator wirkt, ist seit Monaten zu beobachten, vorausgesetzt man schließt die Augen nicht davor, wie das bis heute noch immer ein großer Teil des Establishments in diesem Land tut.

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe Untersuchungen zur Armut, und es ist längst bekannt, welche Bevölkerungsschichten am meisten davon betroffen sind und wieso das der Fall ist. Ist es nicht krass, dass in Luxemburg der Anteil der Menschen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen und trotzdem arm sind, in der EU am größten ist, Rumänien ausgenommen?

Es werden daher keine neuen Studien gebraucht, sondern Maßnahmen, beziehungsweise ein ganzes Maßnahmenpaket, um die Armut zu bekämpfen und gezielt zu beseitigen. Stattdessen verwaltet die Regierung die Armut, und oft sieht es danach aus, als werde ein regelrechter Kleinkrieg gegen die Armen geführt, indem alle möglichen bürokratischen Hürden aufgebaut werden, um sie in Armut zu halten. Ein Beispiel: Immer mehr junge Menschen unter 25 verlieren ihre Arbeit, aber die Regierung weigert sich bisher kategorisch, das Alter für den Erhalt des sozialen Mindesteinkommens zu senken.

Caritas veröffentlichte diese Woche eine ganze Reihe von Vorschlägen, angefangen bei zusätzlichen finanziellen Hilfen und Steuersenkungen für Arme und Kleinverdiener, über eine rasche Lösung der Wohnungsnot mittels dem Bau von genügend bezahlbaren Mietwohnungen, bis hin zu einer höheren Besteuerung des Kapitals und der Besserverdienenden und der Wiedereinführung einer Vermögenssteuer – Forderungen wie sie zum Beispiel auch im Dringlichkeitsprogramm der KPL zu finden sind.

Die Sache ist nur, dass die Regierung, die da ist, um die Armut zu verwalten und die Ausbeutungsmechanismen im Interesse des Kapitals und die Privilegien der Reichen zu schützen, die wachsenden Ungleichheiten nicht freiwillig beenden wird, ansonsten sie gezwungen wäre, dem Großkapital, den Banken und den Reichen etwas wegzunehmen, um es den Schaffenden und den Armen zu geben.

Erreicht werden kann das nur, wenn viele gewerkschaftliche, soziale und politische Kräfte sich zusammenschließen und an einem Strang ziehen, um die Verhältnisse umzukehren und ein Maßnahmenpaket durchzusetzen, das dazu führen kann, dass die Ungleichheiten abgebaut werden und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mechanismen, welche diese Ungleichheiten immer wieder reproduzieren, außer Kraft gesetzt werden.

Es ist das Einfache, das so schwer zu machen ist.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek