Von Umverteilung und Krisenverlierern

Die Auswirkungen, welche die Corona-Krise auf die Lohnabhängigen haben wird, sind längst nicht in ihrem vollen Ausmaß abzusehen. Doch sie werden umso größer sein, da die Gesundheitskrise zu einem Zeitpunkt über uns hereinstürzte, als die Wirtschaft des Landes sich bereits in einem konjunkturellen Abschwung und auf dem Weg in eine der zyklischen Wirtschaftskrisen befand, wie sie im Kapitalismus unvermeidlich sind. Die Schwierigkeiten der Betriebe nahmen zu, die Löhne stagnierten, die Arbeitslosigkeit stieg bereits lange vor Corona wieder an, und die Kaufkraft ging zurück.

Umso härter traf es die Lohnabhängigen, als wegen der Gesundheitskrise ganze Wirtschaftsbereiche praktisch während Monaten stillgelegt wurden. Massenentlassungen wurden allerdings verhindert, weil Sonderregelungen bei der Kurzarbeit getroffen wurden, und der Staat zumindest bis zum 31. Dezember dieses Jahres generell die Ausgleichsentschädigung für die in Anspruch genommene Kurzarbeit in Höhe von 80 Prozent der Lohnkosten bezahlt.

Das wird dazu führen, dass die Lohnkosten für viele Betriebe in diesem Jahr stark zurückgehen werden, doch für Zehntausende von Lohnabhängigen heißt das auch, dass sie nur 80 Prozent ihres normalen Lohns bekommen, sieht man einmal davon ab, dass der eine oder andere Staatsbetrieb auch weiter den vollen Lohn ausbezahlte.

Jedenfalls sind die Kurzarbeiter und ihre Familien, auch wenn sie ihren Arbeitsplatz (noch) nicht verloren haben, die ersten Opfer der Krise, denn wie das statistische Amt schätzt, betrug die Lohnsumme, die den Schaffenden nicht ausbezahlt wurde, allein zwischen dem 16. März und dem 25. Mai dieses Jahres insgesamt 250 Millionen Euro.

Opfer der Wirtschafts- und der Gesundheitskrise wurden aber auch viele Kleinunternehmer und Kaufleute, nicht nur, aber auch im Bereich der Restaurant- und Hotelbranche, und es ist davon auszugehen, dass es innerhalb des nächsten Halbjahres eine Konkurswelle geben wird und viele Arbeitsplätze verschwinden werden, da die direkten Hilfen, welche die Regierung für Kleinbetriebe beschloss, erstens nicht alle erreichten und zweitens für viele nicht genügen werden, um zu überleben, um so mehr die wirtschaftlichen Aktivitäten in einer Reihe von Bereichen gegenwärtig nicht auf Hochtouren laufen, und viele Betriebe sich keine zusätzliche Verschuldung leisten können.

Unabhängig davon, dass es insbesondere unter größeren Unternehmen auch Krisengewinner gibt – zum Beispiel im Lebensmittelgeschäft und im Finanzbereich – und dass es auch solche gibt, die Corona als Vorwand nehmen, um seit langem geplante Restrukturierungen auf Kosten der Beschäftigten vorzunehmen, müssen manche Betriebe und einzelne Wirtschaftszweige, zum Beispiel der Flugbereich, selbst dann mit einer längeren Durststrecke rechnen, wenn der Staat ihnen finanziell kräftig unter die Armee greifen sollte.

Auch dann besteht natürlich immer die Gefahr, dass die schwierige wirtschaftliche und finanzielle Lage einerseits von den Betrieben als Vorwand genutzt wird, um soziale Errungenschaften einzuschränken beziehungsweise abzubauen, und andererseits die Regierung, um die Umverteilung zugunsten der Wirtschaft auszugleichen, auf Kosten der Lohnabhängigen Sparmaßnahmen vornehmen oder neue Belastungen beschließen wird. Zum Beispiel im Steuerbereich über die Einführung einer sogenannten CO2-Steuer, so dass Benzin und Diesel um mehr als
5 Prozent und Gas und Heizöl um 10 Prozent teurer würden.

Corona- und Wirtschaftskrise werden den Umverteilungskampf in nächster Zeit verschärfen, und die Lohnabhängigen und ihre Organisationen werden alles daran setzen müssen, um zu verhindern, dass sie die Verlierer der Krise sein werden.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek