Vor wirtschaftlichen Erschütterungen und sozialen Herausforderungen

Dass es dem OGBL und der Personaldelegation gelang, mit der Direktion von Guardian Luxguard II am 31. August einen »Plan de maintien dans l’emploi« zu unterzeichnen, nachdem der USA-Konzern zuvor kurzfristig
201 Beschäftigte über einen Sozialplan entlassen wollte, ist vorerst eine gute Nachricht, die erst dank der Hartnäckigkeit der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaftsvertreter möglich wurde.

Doch nun werden harte Verhandlungen folgen, denn die Gefahr, dass es innerhalb der nächsten zwei Jahre für einen Teil der Beschäftigten doch noch zu einem Sozialplan mit verheerenden Folgen kommen wird, ist nicht definitiv gebannt.

Das Instrument des »Plan de maintien dans l’emploi« ermöglicht es wohl, die Folgen von Restrukturierungen für die einzelnen Lohnabhängigen abzufedern, zum Beispiel über einen Rückgriff auf Frühpensionierung, Kurzarbeit, eine andere Arbeitszeitgestaltung oder interne und externe Schulung, aber in den meisten Fällen ändert das nur wenig am Umfang von Rationalisierungsplänen, welche Unternehmen durchsetzen wollen, um drohende Verluste zu verhindern oder einen größeren Mehrwert für die Aktionäre zu schaffen.

Das statistische Amt hat wohl für die Zukunft einen wirtschaftlichen Aufschwung prognostiziert, aber gegenwärtig sieht es doch eher danach aus, als werde es in einer Reihe von Wirtschaftsbereichen zuvor noch zu großen Erschütterungen kommen.

Dazu zählt der Bereich der Buchbindereien, Druckereien, Reproduktionswerkstätten und Setzereien, der größeren Restrukturierungen ausgesetzt ist und für den der OGBL mit der Vereinigung der Druckereiunternehmen einen »Plan de maintien dans l’emploi« aushandelte, der bis zum Jahresende gilt.

Dazu zählt aber auch der mit mehr als 6.000 Beschäftigten weitaus größere Luftfahrtbereich, der infolge der Corona-Krise während der vergangenen Monate teilweise zum Erliegen kam, der aber lange zuvor wegen der Liberalisierung, der immer härteren Konkurrenzbedingungen und des Wachstumswahns zunehmend unter Druck geriet. Auch hier stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang es zu Rationalisierungen und zu Einschnitten und möglicherweise einem »Plan de maintien dans l’emploi« kommen wird, und wie erreicht werden kann, dass die Krise nicht auf dem Buckel der Beschäftigten und ihrer Arbeitsbedingungen und Löhne überwunden wird. Immerhin gehören die großen Unternehmen im Luftfahrtbereich mehrheitlich oder ganz dem Staat. Während der zweiten Septemberhälfte dürfte sich in dieser Sache der Nebel etwas lichten.

Ob das auch im Reinigungsbereich der Fall sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Dort wird seit November 2019 verhandelt, ohne dass seither im Bereich Arbeitsbedingungen und Löhne nennenswerte Resultate erzielt wurden.

Die Gewerkschaft hat die Reinigungsunternehmen ohnehin in Verdacht, die Wirtschafts- und Gesundheitskrise als Vorwand zu nehmen, um die Verhandlungen immer wieder hinauszuzögern – in einem Bereich, in welchem die Löhne ohnehin niedrig und die Arbeitsbedingungen schlecht sind, und lediglich 34 Prozent der vorwiegend weiblichen Beschäftigten einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben.

Generell besteht unter den gegenwärtigen Krisenbedingungen natürlich immer die Gefahr, dass alle möglichen Vorwände genutzt werden, um die Beschäftigten mit Drohungen einzuschüchtern, Arbeitsplätze abzubauen, kollektivvertragliche Errungenschaften rückgängig zu machen oder längst überfällige Verbesserungen und Lohnanpassungen auszusetzen. Dagegen gibt es nur eine wirksame Medizin: das solidarische Verhalten der Lohnabhängigen.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek