Nicht alles was glänzt ist golden

Lesen bildet, manchmal auch das morgendliche Studium der Tiroler Tageszeitung. Am 22. Oktober outet sich darin SP-Landtagsabgeordneter und Tiroler ÖGB-Chef Philip Wohlgemuth, dass er bzw. der ÖGB nie gegen flexible Arbeitszeiten gewesen seien und fleht darum um die Rückkehr zur Sozialpartnerschaft. In einem weiteren Artikel werden die Existenzprobleme des unteren Einkommenssegments in Tirol dokumentiert. Zwar verdammt Tirols ÖGB-Boss brav der Bundesregierung 12-Stunden-Arbeitstag. Ein klares NEIN dazu kommt ihm aber nicht über seinen Lippen. Lieber gibt er sozialpartnerschaftlich kompromissbereit: „Wir verwehren uns nicht gegen ein modernes Arbeitszeitgesetz.“ Verlangte nicht auch ein Ex-Kanzler in seinem A-Plan KERNig einen 12-Stunden-Arbeittag?

Fast schon weinerlich wird von Wohlgemuth die Sozialpartnerschaft zurückgefordert. Sie habe mehr als 70 Jahren für einen ausgewogenen Interessenausgleich gesorgt. Das muss auch in Zukunft so bleiben. Nur, lieber Philip, sie war bei weitem nicht so toll, wie ihr sozialdemokratischen Gewerkschafter_innen uns gerne weismachen wollt.

Dem ewigen „zu Tode verhandeln“ ist das heutige Schlamassel mit zu verdanken. Statt konsequent Arbeitszeitverkürzung einzufordern wurden stets Arbeitszeit-Flexibilisierung zugestimmt. Diese waren aber gleichzeitig die Einstiegsdroge für den 12-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Arbeitswoche. Die generelle Arbeitszeitverkürzung landete somit am Misthaufen der unerfüllten Wunschträume.

Tirol mit Einkommen zum Auskommen?

Aber selbst bei der ureigensten Aufgabe der Sozialpartnerschaft, der jährlichen Lohn- und Gehaltsanpassung ist nicht alles Gold, was glänzt. Während unser Leistungsdruck explodierte wurden unser Lohn und Gehalt nie wirklich mehr wert und in den unteren Einkommenssegmenten sogar weniger wert. Überdurchschnittlich hohe Wohn-, Energie- und Lebenskosten verschärfen die Situation noch zusätzlich.

Die Folgen dieser Unsozial-Politik präsentierte dieser Tage das Amt der Tiroler Landesregierung in der Studie „Armut und soziale Eingliederung in Tirol“: Im Durchschnitt lag das mittlere Haushaltseinkommen in Tirol von 2014 bis 2016 bei 22.128 Euro im Jahr. 15 Prozent oder 112.588 Personen liegen bei einem Einkommen unter 14.000 Euro. Wenig überraschend ist, dass vor allem all jene, die nicht in Österreich geboren sind (25,3 %), gefolgt von Einpersonenhaushalten (23,3 %) betroffen sind.
Überraschend und erschreckend ist allerdings die Tatsache, dass diese Einkommensknappheit nicht unbedingt durch das Fehlen eines Arbeitsplatzes erklärbar ist. Nicht einmal eine Vollzeitbeschäftigung schützt mehr davor, dass das Einkommen zahlreicher Menschen nicht mehr für den „üblichen Lebensstandard“ reicht und sie somit an der sozialen Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

In Tiroler Traditionsmanier „Hände falten und Gosch´n halten“?

Sicherlich nicht! Das Zurückschwören der Sozialpartnerschaft ist aber auch nicht viel besser. Unbestreitbar ist der Verhandlungsweg der erste Weg um etwas umzusetzen. Ist das Verhandlungsergebnis allerdings bescheiden – dann darf Mann und Frau – also wir, durchaus auch für ein besseres Ergebnis kämpfen. Das ist weder unanständig noch dumm, sondern das was unsere Ahnen der Arbeiterbewegung vorbildlich hinterlassen haben.

Josef Stingl

Quelle:

Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB)