Klimawandel – Doppelkrise – Gewerkschaftspolitik

Landauf, landab wird quer durch die politische und gesellschaftliche Landschaft in einer neuen Intensität über den Klimawandel und Umweltprobleme debattiert.

Und zweifelsohne, der Kampf gegen die Klimakrise bedarf eines tiefgreifenden, radikalen Umbaus unseres gesamten Wirtschaftssystems, einschließlich der fundamentalen Umstellung der energetischen Grundlagen, einer grundlegenden Mobilitätswende und einer öko-sozialen Neugestaltung der gesamten gesellschaftlichen Infra- bis Wohnstruktur.

Um aber dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten in diesem unumgänglichen Umbau nicht unter die Räder kommen, bedarf es unter gewerkschaftlicher Perspektive freilich eines unaufkündbaren Gleichgewichts aus Ökologie und Sozialem. Jeder Versuch, die tiefe, ineinander verwobene Einheit der ökologischen und sozialen Frage auseinanderzureißen, sich nur auf eine Seite beider zu stellen oder sie gar gegeneinander auszuspielen, führt in die falsche Richtung. Hinzu gesellen sich ökonomisch noch der „normale“ zyklische, krisenhafte Verlauf kapitalistischen Wirtschaftens, sowie die zeitlich länger gestreckten Wellen des Aufstiegs und Niedergangs von Industriebereichen bzw. Branchen und deren jeweilige Strukturkrisen, Darüber hinaus stehen heute mit der „Industrie 4.0“ genannten Digitalisierung zudem noch zusätzliche Umbrüche und Strukturverschiebungen in der Arbeitswelt vor uns.

Wege aus der Zangenkrise

Dieser sozial-ökologischen Doppel- oder Zangenkrise können die Gewerkschaften daher auch nur in einer entsprechenden eigenständigen Strategiebildung gerecht werden, die sowohl ihre Schutzfunktion wie ihre politische Gestaltungsfunktion in diesem Transformationskonflikt aktiv zur Geltung bringt. Das aber verlangt in seiner Tragweite nach umfassenden, eigenen, zukunftsweisenden Konzepten der wirtschaftlichen, ökologischen und verteilungspolitischen Umstrukturierung und gesellschaftlichen Umwälzung. Konservative, rein bewahrende gewerkschaftspolitische Positionen in Industrie- und Wirtschaftspolitik hingegen, werden der Komplexität nicht gerecht. Es geht vielmehr um nötige Konversionen (Umstellung auf alternative Produkte und Produktionen) bis hin zu Fragen der gesellschaftlichen Entscheidung und Verfügung über unsere Lebensbedingungen, die Produktions- und Investitionspolitik, sowie der gesamten Produktionsweise.

Allerdings hinken die Gewerkschaften, zumal in Österreich, diesen Anforderungen noch weit hinterher. Ja, schon die naheliegendste Sofortantwort auf diese Krise(n), nämlich eine radikale Arbeitszeitverkürzung, harrt bisher der Durchsetzung. Und während Gewerkschaften anderer Länder, allem voran des globalen Südens, die sozial-ökologische Doppelherausforderung der Zeit bereits zum Programm erhoben haben, fristen ökologische Fragen und die Klimapolitik als Feld des Gewerkschaftskampfs hierzulande noch ein – zudem widersprüchliches und uneindeutiges – Schattendasein.

Beispiel CO2-Steuer

Natürlich sind (Lenkungs-)Steuern auf Treibhausgas-Emissionen ein Beitrag zur Klimapolitik. Die bisherigen Konzeptionen einer CO2-Steuer als allgemeiner Steuer, die alle formal gleich trifft, würde aber vor allem die Armen, einfachen Arbeiterhaushalte und die breite Bevölkerungsmehrheit treffen, während sie von den Reichen leicht aus der Portokasse beglichen werden kann. In dieser Form würde sie also die ohnehin bereits immer stärker auseinanderklaffende Einkommensverteilung weiter verschärfen. Zudem nimmt sie die eigentlichen, wirtschaftlichen Verursacher der Klimakrise dabei kaum ins Visier. Ein solcher Ansatz wäre daher auch ein falscher Weg. Allerdings ließen sich derartige verteilungspolitisch inakzeptable Wirkungen durch feinere, differenziertere steuerpolitische Ausgestaltungen auch vermeiden bzw. korrigieren. Gewerkschaften und AK sind somit dringend aufgefordert, eigenständige und sozial tragfähige Ökosteuer-Konzeptionen auszuarbeiten, in die Debatte einzubringen und um deren Durchsetzung zu kämpfen. Und gleichzeitig muss es gesellschaftlich noch viel weitergehen: Schweden bspw. hat bereits seit 1991 eine CO2-Steuer. Wie Analysen der OECD allerdings zeigen, führt diese jedoch lediglich zu einer Emissionsreduktion von 3%. Das zeigt auf: Einzig über marktkonforme Lenkungsinstrumente und ein marktwirtschaftliche Regulierungen auf Boden des „Spiels der Preise“, ist dem Klimawandel nicht beizukommen. Dafür braucht es schon eine radikalere Orientierung, die auch vor den Gesetzen des Marktes nicht Halt macht, sondern vielmehr die notwendigen Brüche mit marktwirtschaftlichen Regeln vollzieht. Denn ohne massive (staatliche) Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen resp. gesellschaftliche Planung, wird sich das menschliche Naturverhältnis nicht ins Lot bringen lassen. Ökologische wie soziale Nachhaltigkeit und Kapitalismus schließen sich dagegen gegenseitig aus.

Das aber heißt: Anstatt Orientierungen auf einen „grün“ lackierten, „sozialpartnerschaftlichen“ Krisenkorporatismus mit den wirtschaftlichen und politischen Vertretern der kapitalistischen Profitlogik, gilt es demgegenüber die ökologischen Herausforderungen auch als grundlegende gesellschaftsverändernde Chance zu begreifen. Dazu braucht es gleichzeitig einen ernsthaften Brückenschlag zu den unterschiedlichsten Bewegungen und vielfältigen Protesten gegen die Klimakrise!

Dieser Artikel erscheint in KOMpass #19/2019

Quelle:

KOMintern