Der Handel – Ausbeutung bis zum Burnout

Der Handel als ein typisch feminisierter Bereich ist auch von niedrigen Löhnen, vielfacher Teilzeitarbeit und beanspruchenden Beschäftigungsbedingungen geprägt. Ein solidarischer Zusammenschluss der Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich hat die Hürde, dass diese in verschiedenen Filialen teilweise auf das ganze Bundesgebiet verstreut sind. In diesem Bereich gibt es riesige Konzerne und vielfach keine gewählten Institutionen der Mitbestimmung.

Ausbeutung durch Selbstkontrolle

Die Konzerne führen ihre Filialen in der Form, dass sie mittels des Führungsstils der sogenannten Unternehmenskultur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbeuten. Das bedeutet, dass die Kolleginnen und Kollegen dazu aufgerufen sind, sich mit dem Unternehmen und seinen „Werten“ zu identifizieren. Sehr bekannt hierfür ist der US-Konzern Walt-Mart, hier singen die Kolleginnen und Kollegen in den USA zu Schichtbeginn sogar die Hymne des Unternehmens, um sich als Teil der Wal-Mart-Familie zu identifizieren. Aber auch im deutschsprachigen Raum gibt es solche Taktiken, beispielsweise Modeketten verfolgen dies sehr stark. Hier werden die Kolleginnen und Kollegen auch aktiv dazu aufgefordert die saisonalen Modelle zu tragen, um die Kundinnen und Kunden zu ermutigen, diese zu kaufen. Es wird jeder Verkäuferin und jedem Verkäufer vermittelt, dass sie mit ihrem individuellen Handeln entscheidend seien für die Um- und Absätze des Unternehmens. Das umfasst auch mehrmals täglich ausgesandten Motivationsmails, die genaue tägliche Vergleiche der Umsätze zum Vorjahr ermöglichen und auch einmal fragen, warum man diese nicht um zehn weitere Prozentpunkte überbiete. Hier werden sogar Wetteranalysen aufgenommen. Dies sind jedoch die noch die sanfteren Methoden.

Es kommt, wie man weiß, aber auch zu sichtbaren Kontrollen, die in der Regel unangekündigt und zu jeder Zeit stattfinden können. Diese reichen von Testkäufen, die die Freundlichkeit im Kundenumgang überprüfen, Filialenkontrollen, die die Ordnung und die Einhaltung der Standards vor Ort überprüfen bis zu Taschenkontrollen, weil man unter den Generalverdacht des Diebstahls gestellt wird. Dass diese Kontrollen stets stattfinden führt zu einem hohen Maß an Selbstkontrolle und ‑verantwortung, da man die eigene Anstellung nicht gefährden will. Bei einer dünnen Personaldecke führt dies vielfach zu einer starken Auswertbarkeit der Kolleginnen und Kollegen. Überstunden und nicht leistbare Ansprüche stehen an der Tagesordnung, erste durch zweiteres vielfach auch unbezahlt, teilweise wird sogar das soziale Umfeld eingespannt, um einen ordentlichen Auftritt zu gewährleisten. Das gepaart mit der Vereinzelung – teilweise ist man alleine für einen Laden zuständig – führt immer häufiger zu Burnouts in diesem Bereich. Von den verhältnisweise niedrigen Gehältern ganz zu schweigen.

Corona und Handel

Corona hat die Situation der Kolleginnen und Kollegen im Handel nicht verändert oder gar verbessert, die Personaldecke bleibt mehr als dünn, bei gleichzeitig zunehmenden Krankenständen oder Arbeit trotz Krankheit, was natürlich das Ansteckungsrisiko erhöht. Neueinstellungen fanden teilweise trotz Kündigungen nicht statt, mit der Begründung des Inflationsschutzes. Gesundheitsschutzmaßnahmen werden bis auf die Plexiglaswände und Standard-NMS – keine FFP 2 Masken oder ähnliches – gleichzeitig kaum ergriffen und im Sommer mit dem Wegfallen des NMS für Kundinnen und Kunden das Risiko gar weiter in die Höhe getrieben. Alles für den Profit. Sofern man nicht im Lebensmittelhandel angestellt ist, muss man zusätzlich mit Gehaltseinbußen durch Kurzarbeit oder sogar Arbeitslosigkeit rechnen.

Quelle: Zeitung der Arbeit – Der Handel – Ausbeutung bis zum Burnout