Was uns nach den Wiener Wahlen erwartet

Nach den Wahlen ist vor den Koalitionsverhandlungen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie der Gemeinderat und die Stadtregierung zukünftig aussehen könnten – die ZdA-Redaktion präsentiert einige Varianten.

Wien. „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Karl Valentin, Kurt Tucholsky oder Mark Twain haben das so nie gesagt. Niels Bohr vielleicht schon, aber da war das bereits eine dänische Volksweisheit. Nun, Wien ist nicht Kopenhagen und wird auch nicht in näherer Zukunft Chicago, Chinatown oder Istanbul werden, Havanna leider auch nicht. Trotzdem stellt sich die Frage nach den Perspektiven für die Zeit nach den Wiener Wahlen am 11. Oktober 2020. Wir wagen diesbezüglich nicht eine, sondern gleich mehrere Prognosen:

Variante 1: Die SPÖ erreicht im Wiener Gemeinderat/Landtag die absolute Mandatsmehrheit. In diesem Fall gilt: „Alles ist wie immer – nur schlimmer“, wie Bernd, das Brot, früher zu sagen pflegte (lebt der noch?). Der rosarote Selbstbedienungsladen mit Selbstzweck- und Selbsterhaltungsfunktion läuft weiter im Kreisel, geniert sich aber für gar nix mehr.

Variante 2: Es gibt weiterhin eine Koalition zwischen SPÖ und Grünen. Wie Variante 1, nur mit forcierter Boboisierung/Gentrifizierung, Swimmingpool am Verteilerkreis und Popup-Radweg auf der Südosttangente.

Variante 3: Alle anderen Parteien verbünden sich gegen die SPÖ und machen eine dunkelbunte Regenbogenkoalition. Gernot Blümel wäre nur kurzzeitig Lueger-Gedächtnis-Bürgermeister, bis ihn Nepp wieder ins niederösterreichische Herkunftsland abschieben lässt. Die NEOS machen ein Tischtennis-Charity-Event, um notleidenden Kapitalisten zu helfen. Die Grünen tragen alles mit, um Schlimmeres zu verhindern.

Variante 4: SPÖ und ÖVP koalieren. Blümel bleibt Finanzminister, weil er da weniger anstellen kann. Im Rathaus regiert dann ganz offiziell das permanente „sozialpartnerschaftliche“ Schattenkabinett aus sozialdemokratischer Kapitalismusverwaltung und Wiener Wirtschaftskammer. Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s der SPÖ gut.

Variante 5: SPÖ und NEOS. Es wächst zusammen, was zusammengehört, nicht nur farblich.

Variante 6: Die SPÖ/FPÖ-Mehrheit wird endlich genützt. Michael Ludwig lässt jedoch zur Sicherheit ein geheimes Video aufnehmen, wie Dominik Nepp in einer Badehütte im Gänsehäufel mit einem arabischen Scheichneffen korrupte Geschäfte anbahnt.

Variante 7: HC Strache feiert ein fulminantes Comeback. Vorsichtshalber wird Klosterneuburg, wie schon 1938, in Wien eingemeindet.

Variante 8: Überraschungssieg für die Bierpartei. Dr. Marco Pogo lässt Gerstensaft aus dem Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz sprühen. Endlich darf seine Band „Turbobier“ am Donauinselfest auftreten und das Polit-Projekt kann beendet werden.

Variante 9: Die Liste „Links“ schafft den Einzug in den Gemeinderat. – Jo, eh.

Variante 10: Die Partei der Arbeit erringt in Ottakring ein Bezirksratsmandat. Alle anderen Parteien warnen vor dem Experiment „Sozialismus in einem Bezirk“ und der bevorstehenden Errichtung eines antikapitalistischen Schutzwalls.

Oder wir machen es ganz einfach so: Egal, welche Regierung Wien nach dem 11. Oktober erhalten wird, es wird wieder eine im Dienste des Kapitals sein, die für die Arbeiterklasse nur ein paar Almosen, Vertröstungen und Ablenkungsmanöver bereithält. Es wird weiterhin nötig sein, die arbeitenden Menschen und die Arbeitslosen über die Funktionsweise des Kapitalismus zu informieren und aufzuklären, sie zu mobilisieren und in eigener Aktivität zu unterstützen, um den klassenkämpferischen Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu organisieren. Das ist die revolutionäre Perspektive. Und deren Zukunft wird eine Stadt der Arbeiterklasse sein.

Quelle: Glaskugel / Magische Miesmuschel

Quelle:

Zeitung der Arbeit