„Wenn wir immer alles hinnehmen, dann wird’s wohl auch nicht besser.“

Gespräch mit einem Studierenden der Uni Wien, der seinen geringfügigen Job verlor.

Ein Großteil der Studierenden in Österreich muss neben dem Studium geringfügig oder in Teilzeit-Arbeitsverhältnissen arbeiten, um sich den Studien-Alltag selbst überhaupt leisten zu können. Viele von ihnen sind dabei in solchen Branchen angestellt, die von den Corona-Maßnahmen besonders stark betroffen waren, etwa im Gastronomie- oder Tourismusbereich. Durch ebendiese Corona-Maßnahmen verloren unzählige Studierende nun ihren Job und mussten und müssen so über Monate hinweg ohne Einkommen auskommen – während Miete, Ernährung und weitere Kosten des alltäglichen Bedarfs weiterhin genauso wie vor der Corona-Krise zu stemmen waren. Auf Hilfen der Bundesregierung wartete man dabei vergeblich. Im Gegenteil: Die schwarz-grüne Bundesregierung weigert sich stattdessen bis heute Studiengebühren auszusetzen, Abgabefristen zu verlängern, oder zusätzliche Toleranzsemester zu gewährleisten.

Wenige Monate nach dem ersten Corona-Lockdown zeigt sich nun, dass die Krise noch lange nicht überwunden ist und wohl auch nicht einfach damit überwunden sein wird, indem der Status Quo vor Corona ‚wiedergeherstellt‘ wird. Aufgrund bereits vor Corona bestehender Schieflagen verlieren nun – trotz der Lockerungen – weiterhin mehr und mehr Menschen ihren Arbeitsplatz. Insbesondere solchen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen wurden in den vergangenen wenigen Wochen menschenunwürdige Arbeitsverträge oder Umstrukturierungen vorgelegt, die sie vor die Entscheidung stellte, ob man nun ein überdurchschnittlich prekäres Arbeitsverhältnis eingeht, oder sich auf der schwierigen Arbeitsmarkt-Lage um eine neue Stelle umsieht und sich damit dem Risiko aussetzt, womöglich über Wochen hinweg über kein fixes Einkommen zu verfügen. Einer von ihnen ist M., der bis vor Kurzem noch geringfügig bei einem privaten Bestattungsunternehmen angestellt war. Als Kommunistischer StudentInnenverband (KSV-KJÖ) haben wir mit ihm gesprochen.

Du warst bis vor wenigen Wochen neben deinem Sprachwissenschaften-Studium noch bei einem privaten Bestattungsunternehmen als Sargträger angestellt. Was ist vorgefallen, dass du es heute nicht mehr bist?

Ich habe von meinem Chef vor zwei Wochen per E-Mail eine Dienstvertragsergänzung zum Unterschreiben geschickt bekommen, in der stand, dass ich erstens auf meinen gesamten Urlaubsanspruch wegen der Corona-Zeit – in der ich nicht eingesetzt war – verzichten soll und zweitens mir der Arbeitgeber einseitig an den Tagen, an denen ich nicht arbeite, Urlaubstage festlegen kann. Das hätte nichts Anderes geheißen, als dass mir der Chef wenn ich Montag, Dienstag und Mittwoch arbeite – was meistens der Fall war, weil ich ja nur geringfügig gearbeitet habe – am Donnerstag und Freitag Urlaubstage aufdrücken kann. Das ist absurd. Außerdem wollten sie, dass wir ab sofort für drei bis vier Monate nur zwei Drittel unseres Gehalts kriegen, aber weiterarbeiten sollen wie bisher. Da habe ich mir gleich gedacht: Das unterschreibe ich nicht, das lasse ich mir nicht gefallen.

Wie haben deine Kollegen und du darauf reagiert?

Wir waren vier Teilzeitangestellte und vier geringfügig Angestellte. Die Teilzeitangestellten haben alle eine Familie und können es sich einfach nicht leisten, jetzt ihren Job zu verlieren. Wir vier Geringfügigen haben eigentlich sofort gewusst, dass wir das nicht auf uns sitzen lassen werden. Ich habe dann bei der Arbeiterkammer angerufen und gefragt, ob das denn überhaupt rechtens ist. Dort wurde mir gesagt, dass es arbeitsrechtlich eigentlich nicht möglich ist, wenn ich es aber unterschreibe, es trotzdem gültig ist als privatrechtliche Vereinbarung. Wenn ich es nicht unterschrieben hätte, hätte die Firma allerdings laut Arbeiterkammer einen Grund gehabt, mich zu kündigen. Wir Geringfügigen haben deshalb beschlossen, kollektiv und gleichzeitig zu kündigen, was wir dann auch gemacht haben. Der Chef war vieles, aber nicht erfreut.

Inwiefern?

Er hat uns am Tag, nachdem wir unsere Kündigungen schriftlich eingereicht haben, angerufen und zu überreden versucht, dass wir doch nicht kündigen. Unterschreiben sollten wir das elendige Stück Papier aber natürlich trotzdem. Er hat sich keinen Zentimeter bewegt. Im Laufe meines Telefonats mit ihm ist herausgekommen, dass das Unternehmen selbst während der zwei Monate Corona-Lockdown kaum Umsatzeinbußen gemacht hat. Wir Geringfügigen wurden damals nicht eingesetzt, weil die Aufbahrungshallen nicht verwendet werden durften und deshalb weniger Personal benötigt wurde. Aber das heißt, dass das Unternehmen obwohl es uns vier Leute weiterhin bezahlt hat trotzdem keine Umsatzeinbußen gemacht hat, was ja für ein Bestattungsunternehmen in einer Pandemie jetzt auch keine große Überraschung ist.

Das heißt die Firma hat unter keinen Umsatzeinbußen zu leiden und wollte euch trotzdem weniger Lohn zahlen und den Urlaub streichen?

Ja. Wie ich kurz davor erfahren durfte, hat er sich offenbar vor einem Monat auch ein neues Auto, einen Maserati, als Firmenauto gekauft. Da haben wir gesagt: Das lassen wir uns nicht gefallen und sind gegangen. Ich unterschreibe doch nichts, wo ich vertraglich festgelegt mehr arbeite, als ich Geld bekomme und de facto keinen Urlaubsanspruch mehr habe. Eine Frechheit.

Wie geht es dir jetzt damit?

Nicht sonderlich gut. Abgesehen davon, dass ich den Job sehr gern gemacht habe, weiß ich, dass ich jetzt wohl über Wochen oder Monate hinweg sehr bescheiden leben werde müssen. Natürlich suche ich schon nach einer neuen Arbeit, aber es ist ja kein Geheimnis, dass es momentan etwas schwierig ist, eine zu finden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht wirklich, wie ich mir meine Miete leisten soll, wenn ich in den nächsten wenigen Wochen keinen neuen Job finde. Für eine kurze Zeit geht es sich mit den Ersparnissen aus, lange aber nicht. Das Schlimme ist, dass es in meinem Freundeskreis vielen so erging oder ergeht. Dass da von der Regierung oder auch der ÖH nichts kommt ist eigentlich eine Schande.

Was würdest du dir von der Bundesregierung oder der ÖH denn wünschen?

Naja, es wäre schon einmal ein Anfang, wenn man nicht in so einem existenziellen Vakuum schweben müsste, wie es jetzt ist. Das ist ja auch ein großer psychischer Stress, der auch meinen Studienerfolg hemmt – ich habe in den letzten Wochen beispielsweise fast nichts für meine Seminararbeiten weitergebracht, obwohl ich drei im Sommer abgeben muss, weil mir einfach die Konzentration gefehlt hat. Man müsste den Studierenden, die ihre Arbeit verloren haben, finanziell unter die Arme greifen und sie nicht einfach im Regen stehen lassen. Aber von der Bundesregierung erwarte ich mir da nicht sonderlich viel. Die verschenken das Geld lieber an die AUA und machen Gesetze für ihre Großspender. Da weiß man eh wo man ist, wenn man nicht die Goldbarren zuhause angekarrt hat.

Und von der ÖH?

Was mich stark gestört hat, war, dass wir Studierende von der ÖH in den ersten Monaten überhaupt keine Informationen erhalten haben, wie es denn nun weitergehen wird. Und als dann der Bundesminister Faßmann eigentlich nichts anderes gesagt hat, als dass wir Studierende selber schauen sollen, wo wir bleiben, da habe ich mir gedacht, dass die ÖH da offenbar nicht einmal hinter den Kulissen irgendwie Druck ausgeübt hat. Oder zumindest offensichtlich keinen sonderlich erfolgreichen. Und auch jetzt, trotz der Lockerungen, kriegt man eigentlich nichts mit. Wenn die ÖH-Exekutive da nicht irgendwann einmal Druck ausübt, dann wird sich für die Studierenden fürchte ich wenig ändern in nächster Zeit, beziehungsweise wenn, dann nicht zum Besseren. Wenn wir immer alles hinnehmen, dann wird’s wohl auch nicht besser. Das sollte geändert werden.

Quelle:

Kommunistischer StudentInnenverband (KSV-KJÖ)