Nachdenken über Demokratie

»Die Sanktionen gegen Rußland bleiben bestehen«. Das war die Spitzenmeldung am vergangenen Wochenende nach dem sogenannten Sechser-Gipfel von Berlin. Da sollte man sich doch mal ein paar Minuten zurücklehnen und darüber nachdenken, wie solch ein Beschluß zustande kommt…

Hat sich da eine Art neue Weltregierung zusammengefunden, im Kanzleramt von Berlin? Wer waren eigentlich die »Großen Sechs«, die sich anmaßen, über die Politik vieler Staaten zu entscheiden, und deren weise Entscheidungen Folgen für viele Millionen Menschen haben, von denen sie gar nicht gewählt oder auch nur ermächtigt wurden, in ihrem Namen zu sprechen.

Da ist zunächst der Präsident der USA, Barack Obama, der sich auf einer Abschiedsreise befand, bevor er am 20. Januar in den Ruhestand tritt. Es ist eines der offensten Geheimnisse, daß der Herr vom Weißen Haus absolut nichts mehr zu sagen hat, sobald ein Nachfolger als gewählt gilt. Zu Recht wird er deshalb auch als »lahme Ente« bezeichnet.

Zu seiner Linken saß Angela Merkel, gern von bestimmten Medien als »mächtigste Frau der Welt« betitelt. Frau Merkel hat gerade in den letzten Tagen mit sehr merkwürdigen Demokratie-Spielchen auf sich aufmerksam gemacht, indem sie nach einigen Hinterzimmer-Mauscheleien ihren derzeitigen Außenminister Steinmeier als Kandidaten der (noch) amtierenden Regierungskoalition für den Posten des Bundespräsidenten ausrief, womit der Mann quasi als gewählt gilt, lange bevor das laut Grundgesetz dafür zuständige Gremium, die Bundesversammlung, überhaupt zusammentritt. Und am Sonntag bestimmte sie sich zu ihrer eigenen Nachfolgerin, was insofern gesetzt sein dürfte, da es nicht unwahrscheinlich ist, daß die bürgerliche Einheits-Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten auch nach der Wahl weitermachen kann wie bisher.

Neben Merkel saß François Hollande, der Noch-Präsident, auf dessen Wiederwahl in einigen Monaten wohl kaum ein noch so großer Hasardeur auch nur einen einzigen alten Franc setzen würde. Daneben Mariano Rajoy, gerade erst vor wenigen Tagen in Ermangelung einer ernsthaften Alternative zum spanischen Regierungspräsidenten bestimmt, obwohl die demokratische Legitimität seiner aus den Erben der Franco-Faschisten hervorgegangenen Partei alles andere als wasserdicht ist. Frau Theresa May, für unbestimmte Zeit und ebenfalls mangels anderer Vorschläge Premierministerin von Brexit-Britannien, und Matteo Renzi, der laut dem aktuellen Stand der Umfragen nach dem Referendum vom 4. Dezember nicht mehr Regierungschef in Rom sein wird und dem kaum jemand auch nur eine Träne nachweinen wird. Die beiden Interims-Politiker vervollständigten die erlauchte Runde.

Was für ein trauriger Haufen, was für eine Blamage für die bürgerliche Demokratie, wenn diese Sechs der restlichen Welt sagen, was zu tun ist! Die Teilnehmer an der Sechser-Runde haben vor allem eines gemeinsam: Sie sind enttäuscht und geradezu persönlich beleidigt, daß bei der Wahl-Show in den USA nicht die Repräsentantin der Banken und Großkonzerne Hillary Clinton, die Garantin für eine Weiter-so-Politik in Washington, als Siegerin hervorgegangen ist, sondern ein durchgeknallter Baulöwe, dem man nicht so recht zutraut, alles nach altbewährtem Weltbeherrscher-Muster weiterzuführen. Also muß man nach Wegen suchen, um so weitermachen zu können wie bisher. »Wenn du mal nicht weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis.« So wie am Freitag in Berlin. Wozu brauchen wir dann noch diese lästigen Wahlen?

Uli Brockmeyer, Zeitung vum Letzebuerger Vollek