Russlands Außenministers Sergej Lawrow im Gespräch mit Sputnik, Komsomolskaja Prawda und Goworit Moskwa

Frage: Herr Lawrow, guten Tag! Wir reichen Ihnen nicht die Hand – wir befinden uns immerhin mitten in der Corona-Seuche und müssen alle nötigen Sicherheitsnormen einhalten, auch wenn wir keine Schutzmasken tragen. Man hat uns gewarnt, dass wir nicht so viel Zeit haben, weil ja die Italiener auf Sie warten. Deshalb werden wir Sie nicht unterbrechen, damit Sie es schaffen, im Interesse unseres Publikums alle Fragen zu beantworten.

Als wir uns auf das Interview vorbereiteten, sagten wir einander halb scherzhaft (auch wenn ein solcher Humor eher traurig ist), dass wir vor Ihrem Eintritt schnell in sozialen Netzwerken nachschauen müssen, ob nicht irgendein neuer Krieg ausgebrochen ist. In diesem Jahr passieren solche Dinge ja spontan. Und es wäre unfein, wenn vor fünf Minuten ein Krieg ausgebrochen wäre, wobei wir Sie danach nicht fragen würden.

Es ist zwar kein neuer Krieg ausgebrochen, aber ein anderer – fast neuer – geht weiter, obwohl eine Waffenruhe (unter anderem dank Ihren enormen Anstrengungen) vereinbart worden ist. (Haben Sie denn tatsächlich diese elf Stunden nicht geraucht? Ich kann mir kaum vorstellen, wie Ihnen das gelungen ist.) Aber de facto wurde das Feuer gar nicht eingestellt. Ich muss Sie fragen: Ist ein Waffenstillstand überhaupt möglich? Russland redet immer wieder davon, dass es für die friedliche Konfliktregelung keine Alternativen gäbe. Aber ist das machbar? Welche von den beiden Seiten kann Schluss machen?

Sergej Lawrow: Natürlich waren diese Verhandlungen einmalig. Ich muss sagen, dass im entscheidenden Moment Präsident Wladimir Putin seinen Beitrag dazu leistete, denn er kontrollierte unsere nächtlichen Debatten, und schon tief in der Nacht sprachen wir mit ihm gleich zwei Mal.

Frage: Rief er Sie an, oder schaute er vorbei?

Sergej Lawrow: Er rief mich an. Auch unser Verteidigungsminister Sergej Schoigu schloss sich den Gesprächen an, denn es war wichtig, abzusprechen, dass der Ausruf der Waffenruhe nicht ganz genügen könnte, falls es keinen Mechanismus zur Kontrolle der Feuereinstellung geben würde. Der zweite Punkt des vereinbarten Dokuments sieht das gerade vor.

In den letzten Tagen hatte ich mehrmals Kontakte mit meinen Kollegen in Baku und Jerewan. Dasselbe tat auch Sergej Schoigu – er sprach mit den Verteidigungsministern beider Länder. Auch Präsident Putin sprach mit den Spitzenpolitikern der Konfliktseiten. Unsere wichtigste Botschaft war, dass sich die Militärs unverzüglich treffen sollten, um den Mechanismus zur Kontrolle über die Feuereinstellung zu besprechen, um den es sich in dem Dokument handelt, das aber noch nicht besprochen wurde.

Ich habe erst vor einer halben Stunde die entsprechenden Signale abermals bekräftigt, als mich der aserbaidschanische Außenminister Dscheichun Bairamow anrief. Dasselbe Signal senden wir auch an unsere armenischen Kollegen. Ich denke, das ist im Moment der Schlüssel zur nachhaltigen Einstellung des Feuers, unter dem zivile Objekte und friedliche Einwohner leiden müssen.

Frage: Was ist denn das für ein wunderbarer Mechanismus zur Kontrolle über die Feuereinstellung? Geht es um eine flugfreie Zone?

Sergej Lawrow: Wenn Politiker und Diplomaten im Laufe eines Konflikts von Vereinbarungen zur Feuereinstellung reden, dann müssen das die Militärs sofort absprechen, damit diese Vereinbarungen erfolgreich in die Tat umgesetzt werden. Sie sprechen ab, welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen wären, wer die Einhaltung der Waffenruhe durch beide Seiten objektiv beobachten sollte. Das ist kein „wundersamer Mechanismus“. So war das beispielsweise in Transnistrien und übrigens auch im Donezbecken, obwohl dort schon öfter Waffenruhe ausgerufen wurde – aber erst zum letzten Mal wird sie mehr oder weniger eingehalten, und zwar nur deswegen, weil in der Kontaktgruppe für Konfliktregelung in der Ukraine zusätzliche Maßnahmen zur Verifizierung dieses Regimes vereinbart wurden. So war das auch 1994 in Bergkarabach, als die Vereinbarung zur Feuereinstellung von der klaren Abstimmung der Handlungen durch die Militärs begleitet wurde.

Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, so ist die politische Regelung natürlich möglich. Die Vorschläge der Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe bleiben nach wie vor auf dem Verhandlungstisch. Ihr Inhalt ist inzwischen bekannt: Die Gebiete um Bergkarabach sollten Schritt für Schritt befreit werden, wobei die Garantien für seine Sicherheit eingehalten werden sollten, während zwischen Armenien und Karabach eine zuverlässige Verbindung aufrechterhalten bleibt, bis sein endgültiger Status bestimmt wird. Dieses Schema ist gut bekannt. Ich denke, das war eine Art Glück im Unglück: Diese traurigen Ereignisse sollen bei der Intensivierung des politischen Prozesses parallel mit der Regelung von Sicherheitsfragen „vor Ort“ helfen.

Frage: Herr Lawrow, mit der „zuverlässigen Verbindung“ mit Armenien meinen Sie zwei Landkreise: den Latschin-Korridor und das „Fünf-Zwei“-Schema, richtig?

Sergej Lawrow: Alle Vereinbarungen, die in letzter Zeit besprochen und von beiden Seiten ernst genommen wurden, sahen in der ersten Phase die Befreiung von fünf Landkreisen vor, wobei zwei Kreise erst in der zweiten Phase befreit werden sollten. Auch der endgültige Status Bergkarabachs soll in der zweiten Phase bestimmt werden. Und in der ersten Phase sollten neben der Befreiung der fünf Landkreise auch alle Kommunikationen, die Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen deblockiert werden; es sollten dort Friedenskräfte stationiert werden, die garantieren würden, dass die Gefechte nicht wiederaufgenommen werden.

Frage: Also geht es doch um Friedenskräfte – das sollte der Mechanismus sein, von dem Sie eben sprachen, nicht wahr?

Sergej Lawrow: Nein, dieser Mechanismus soll derzeit an der faktischen Trennungslinie eingesetzt werden. Das sind nicht die fünf Landkreise, die laut den Vorschlägen der Co-Vorsitzenden in der ersten Phase befreit werden sollten. Stand jetzt genügen nicht einmal die Friedensstifter, sondern nur die Militärbeobachter.

Frage: Unsere Beobachter?

Sergej Lawrow: Unseres Erachtens wäre es völlig richtig, wenn das unsere Militärbeobachter wären. Aber das letzte Wort gehört den Konfliktseiten. Wir gehen davon aus, dass man in Jerewan und Baku unsere Verbindungen als Verbündete, unsere Beziehungen der strategischen Partnerschaft berücksichtigen wird.

Frage: Herr Lawrow, der jetzige Krieg in Karabach (wenn wir einmal das Kind beim Namen nennen) wurde von der Türkei inspiriert. Wir werden übrigens regelmäßig mit der Türkei konfrontiert – in Libyen und auch in Syrien, wo Ankara für uns kein Verbündeter, sondern eher ein Opponent ist. Dabei erklären wir immer wieder, das wäre unser strategischer Verbündeter. Was ist es angesichts der aktuellen Ereignisse? Wo sind wir, und wo ist die Türkei? Was sind wir füreinander?

Sergej Lawrow: Wir bezeichneten die Türkei nie als unseren strategischen Verbündeten. Das ist unser Partner, mit dem wir sehr enge Kontakte pflegen. In vielen Richtungen lässt sich diese Partnerschaft als strategisch bezeichnen.

Wir arbeiten tatsächlich in Syrien und bemühen uns auch um die Regelung der Libyen-Krise. Auch die Türkei kümmert sich um ihre Interessen in dieser Region. Die Hauptsache ist, dass dies absolut gesetzlich ist, dass die Interessen legitim sind, egal ob es um die Türkei, den Iran, die VAE oder Katar geht. Viele Länder haben in dieser Region ihre Interessen – auch außerhalb ihrer nationalen Grenzen. Es ist wichtig, dass dies transparent wird.

Was Syrien angeht, so denke ich, dass diese Transparenz bzw. Legitimität gesichert wurde, obwohl türkische Militärs sich auf dem syrischen Boden ohne Einladung der legitimen Behörden aufhalten. Der syrische Präsident Baschar al-Assad und seine Regierung haben die Bildung des „Astanaer Formats“ akzeptiert und befürwortet. Sie kooperieren bei der Umsetzung aller Initiativen, die die „Troika“ der Astanaer Garanten zum Ausdruck bringt. In diesem Sinne spielt die Partnerschaft Russlands, der Türkei und des Irans eine sehr wichtige Rolle. Ausgerechnet sie hat ermöglicht, die Gebiete, wo die Terroristen das Sagen hatten, im Grunde auf die Deeskalationszone „Idlib“ zu reduzieren.

Ein besonderes Thema macht die Situation östlich vom Euphrat. Leider bringen die Amerikaner auf diesem Territorium, das sie aktuell kontrollieren, intransparent und völlig illegitim die Ideen des Separatismus voran, indem sie die Kurden bei der Etablierung ihrer Lebensregeln unterstützen, die sich von den Regeln der zentralen Regierung unterscheiden.

Auch in Libyen arbeiten wir mit der Türkei zusammen. Unsere Diplomaten, Militärs, Vertreter der Geheimdienste trafen sich schon öfter, um die Möglichkeiten jeder von unseren Seiten einzusetzen. Wir pflegen Kontakte mit allen: sowohl mit dem östlichen Teil Libyens, wo das Parlament sitzt, als auch mit dem westlichen Teil dieses Landes, wo die Regierung der Nationalen Einheit ihren Sitz hat. Die Türken unterstützen bekanntlich die Regierung der Nationalen Einheit, verstehen aber sehr gut, dass man nach Kompromissen zwischen den Vorgehensweisen aller Regionen, aller politischen Kräfte in Libyen suchen müsste. Stand jetzt ist die Situation zwar ziemlich chaotisch, aber die politischen Prozesse entwickeln sich allmählich in einer Richtung. Das gilt für die Berliner Konferenz für Libyen, für die Initiativen, die Marokko, Tunesien und Ägypten als Nachbarländer voranbringen – das ist absolut verständlich, und wir unterstützen das. Es ist im Moment wichtig, unter der UN-Ägide ein einheitliches Schema zu entwickeln, das sich auf die Förderung aller libyschen Kräfte auf dem Weg zum Verhandlungstisch stützen würde – und nicht dazu, dass sie einander Ultimaten stellen, was wir zwischen Tobruk und Tripolis in letzter Zeit sahen.

Unsere Freunde in der UNO arbeiten gerade daran, alle diese Bemühungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wir unterstützen das aktiv. Ich habe gehört, dass auch die Türkei daran interessiert ist, dass diese Prozesse an Intensität gewinnen. Jedenfalls sieht Diplomatie vor, dass die Positionen aller Konfliktseiten in diesem oder jenem Land, das von einer Krise erfasst ist, berücksichtigt werden – aber auch die Interessen regionaler Staaten, die legitim sind und von den Konfliktseiten selbst akzeptiert werden.

Frage: Sie haben über die Berücksichtigung der Interessen aller Akteure gesprochen. Sind wir der Ansicht, dass das Interesse der Türkei in Karabach legitim ist, haben wir vor, es zu berücksichtigen?

Sergej Lawrow: Ich gehe zu Karabach über. Wir stimmen der Position nicht zu, die von der Türkei erläutert und von Präsident Aserbaidschans Ilham Alijew mehrmals geäußert wurde. Hier gibt es kein Geheimnis. Wir können nicht die Erklärungen teilen, dass es eine militärische Konfliktlösung gibt und sie zulässig ist. Leider konnte die Türkei das machen und bestätigte, dass sie jede Handlungen, die Aserbaidschan zur Lösung dieses Konfliktes unternehmen wird, einschließlich der militärischen Handlungen, unterstützen wird.

Wir stehen in Kontakt mit den türkischen Kollegen. Während dieser Krise sprach ich mehrmals mit dem Außenminister der Türkei Mevlüt Cavusoglu. Wir verteidigen jedoch unsere Position – eine friedliche Regelung ist nicht nur möglich, sondern ist der einzige Weg zur Gewährleistung einer nachhaltigen Lösung dieses Problems, weil alles andere einen Konflikt in eingedämmter Form aufrechterhalten wird. Wenn es keine langfristige politische Einigung geben wird, werden die Lösungen, die auf dem militärischen Wege erreicht wurden, einst ihre Haltlosigkeit beweisen, und es wird trotzdem Kampfhandlungen geben.

Frage: Der Effekt eines verschobenen Kriegs?

Sergej Lawrow: Ja, wir sehen das übrigens beim palästinensischen Problem.

Frage: Es ist unmöglich, das nicht zu bemerken, und fast alle werden darauf aufmerksam, dass der Präsident der Türkei Recep Tayyip Erdogan aktiver geworden ist. Er treibt sein Spiel in der Region des Nahen Ostens – Libyen, Syrien. Er hält diese Zone eindeutig für seinen Interessenbereich, spricht darüber ohne das zu verheimlichen.

In Zypern treibt er sein eigenes Spiel. Er ging erneut auf eine Zuspitzung in der griechischen Richtung zu. Sie waren nur einen Schritt von einem Krieg gegen Athen entfernt. Auch seine Erklärungen darüber, dass Jerusalem auch eine osmanische Stadt ist. Nun sind sie aktiv in der Region Südkaukasus. In seiner Amtseinführungsrede sagte er bezüglich der Türkei – „Osmanisches Reich“. Er sagt offen, dass er ein neues Osmanisches Reich wiederaufbauen will, weshalb er in allen Richtungen aktiver vorgeht. Ich rede nicht einmal über seinen Beschluss zum Gottesdienst in der Hagia Sophia. Das ist doch ein offenes Abweichen vom Testament, das von Kemal Atatürks hinterlassen wurde.

Angesichts dieser Aktivitäten des türkischen Anführers und der ganzen Republik Türkei werden wir irgendwelche Korrekturen in unsere Politik in dieser Richtung vornehmen?

Sergej Lawrow: Natürlich muss man eine Korrektur stets in der Aussicht haben, doch die Politik in der türkischen sowie jeder anderen Richtung muss von der Realität ausgehen, die Verwirklichung des Prinzips „Krieg als Fortsetzung der Politik“ vermeiden. Das ist meine tiefe Überzeugung. Obwohl es wohl auch Situationen gibt, wenn man gegen dich Aggression anwendet, dann sollen Kanonen nicht mehr still bleiben.

Frage: Bei uns heißt es: „Wenn Sie Lawrow nicht zuhören, werden sie Schoigu zuhören“.

Sergej Lawrow: Ich habe ein T-Shirt mit dieser Aufschrift gesehen. Ja, es geht ungefähr darum.

Doch zuerst möchte ich eine allgemeine Situation beschreiben, wer, wo und wie seine Interessen durchzusetzen versucht. Überall, wo, wie Sie sagten, die Türkei aktiv vorgeht, sind ziemlich aktiv und manchmal sogar aktiver als Ankara die Länder, die 10.000 Meilen und noch weiter von dieser Region liegen. Es gibt Staaten, die näher liegen, doch die USA spielen überall an diesen Stellen eine ziemlich aktive Rolle.

In Syrien untergraben die Amerikaner aktiv den kompletten Sinn der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats, die die territoriale Integrität Syriens bestätigte und ihren Respekt forderte. Es werden auf seinem Territorium unverschämt quasistaatliche Strukturen gebildet. Zunächst wurde das Verbot für den Ankauf des syrischen Öl für alle Länder der Welt ausgerufen, danach wurde dem eigenen Unternehmen erlaubt, dort Öl zu fördern und diese Gelder für die Festigung der kurdischen Strukturen, die Damaskus nicht unterordnet werden sollen, zu nutzen. Übrigens am östlichen Euphrat-Ufer geht die Türkei vor, um, wie sie meint, den kurdischen Terrorismus zu bekämpfen. Die Besorgnisse Ankaras bezüglich der Sicherheit seiner Grenze zu Syrien am östlichen Euphrat-Ufer und bei Idlib sind zumindest viel legitimer, als das, was Washington mit der Entfachung der separatistischen Tendenzen in Syrien zu machen versucht.

Die USA sind ziemlich aktiv in Libyen. Es wird auch versucht, diesen Konflikt im eigenen Interesse zu steuern, darunter zur Abschwächung der Türkei und auch der Russischen Föderation. Das wird offen verkündet. Dort spielt das Öl ebenfalls nicht die letzte Rolle, weil die Frage der Rückkehr des libyschen Öls auf die globalen Märkte, Aufhebung des Moratoriums, das vom Kommandeur der Libyschen Nationalarmee Halifa Chaftar ausgerufen wurde, ist von großer politischer und praktischer Bedeutung, indem sie die Preise für Energieträger direkt beeinflusst.

Bei den Themen palästinensisches Problem, Jerusalem, Regelung des arabisch-israelischen Konfliktes, Schaffung eines Palästinensischen Staates verdrängten die USA fast alle Anderen und sagten, dass sie das selbst klären werden. Laut der Arabischen Friedensinitiative wird zuerst der Palästinensische Staat gebildet, wonach die Normalisierung der Beziehungen Israels mit allen Arabern folgt. Doch die USA haben alles völlig verdreht. Zunächst wollen sie die Aufstellung der Beziehungen Israels zu allen arabischen Nachbarn aktiv fördern, und dann sehen, wie man das palästinensische Problem lösen und ob man das überhaupt machen soll.

Wir treten dafür ein, dass die Beziehungen Israels mit seinen Nachbarn und anderen Ländern der Region sich verbessern sollen. Wir treten dagegen, dass dies auf Kosten der Interessen des palästinensischen Volkes, die in der Resolution 181 der UN-Generalversammlung festgelegt sind, die auch die Schaffung des Jüdischen Staates ausrief, gemacht wird. Er lebt hoch, das ist unser enger Freund und Partner. Und einen palästinensischen Staat gibt es bislang nicht. Man wartet ja drei Jahre auf das Versprochene, doch diese drei Jahre sind bereits seit langem vergangen.

In einer Situation, wenn der Beschluss des UN-Sicherheitsrats, dass das Schicksal und die Lage Jerusalems als Hauptstadt von drei monotheistischen Religionen unter Berücksichtigung der Positionen der Seiten beschlossen werden sollen, für vergessen und gestrichen erklärt wird, wenn der Zugang zur Moschee Al-Aqsa, die im Rahmen der Vereinbarungen über den endgültigen Status im Kontext der Schaffung des palästinensischen Staates gelöst werden soll, wieder revidiert und aufgehoben wird, werden wir wohl solche Erklärungen seitens der Anführer der islamischen Welt hören, zu denen natürlich der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan gehört.

Ein noch breiterer Kontext: In der islamischen Welt läuft ein offensichtlicher Kampf um die Führungsrolle. Es gibt einige Pole: die Türkei, Saudi-Arabien als Anführer und Ort von zwei großen islamischen Heiligtümern. Wollen wir nicht daran vergessen, dass es neben Türken und Arabern auch Pakistaner, Indonesier gibt. Indonesien ist ein großer islamischer Staat der Welt. Wir haben Beziehungen auch zur Arabischen Liga, und dem Golf-Kooperationsrat, Organisation für Islamische Zusammenarbeit, die alle ohne Ausnahme islamischen Staaten Asiens, Afrikas unabhängig davon, wo sie sich befinden, umfasst. Leider bekommt dieser Kampf, Konkurrenz um die Führungsrolle im Rahmen Islams in der letzten Zeit immer mehr erbitterte Formen. Bei Kontakt mit Kollegen aus der Organisation für Islamische Zusammenarbeit rufen wir umfassend dazu auf, dass sie gemeinsame Herangehensweisen, Konsenspositionen ausarbeiten, Harmonie zwischen allen Bewegungen des Islam anstreben. 2004 führte der König von Jordanien Abdullah II. einen Gipfel aller Muslime durch, nach dem die Erklärung von Amman angenommen wurde, die die Bestätigung für die Einheit aller Muslime, Verpflichtung ihrer Durchsetzung in allen praktischen Situationen enthielt. Es wird bis heute nicht geschafft.

Bezüglich der Hagia Sophia erkennen wir das Recht der Türkei und der Behörden Istanbuls an, konkrete Parameter der Nutzung dieses Objektes zu bestimmen, doch natürlich unter Berücksichtigung des Statuses des Objektes des Kulturerbes von UNESCO. Im Rahmen dieser Organisation ist diese Diskussion nicht abgeschlossen. Die türkischen Kollegen sicherten uns zu, dass alles, was mit der orthodoxen Kultur verbunden ist, für den Zugang der Besucher, Touristen, Pilger offen bleiben wird. Wir werden sehen, wie das in der Praxis erfüllt wird, weil entsprechende Maßnahmen technisch bislang nicht umgesetzt sind.

Bezüglich Südkaukasus – sehen Sie, wer dort versucht, aktiv zu agieren. Die Amerikaner sind da bei Weitem nicht weniger aktiv.

Frage: Die Amerikaner sagen offen, dass die Zone ihrer nationalen Interessen die ganze Welt ist. Sie positionieren sich als ein Reich. Die Türken haben so etwas nie gesagt und sind derzeit auf diesem Weg.

Sergej Lawrow: Schon wieder „Ochse und Jupiter“?

Frage: Man sollte klären, was sie meinen.

Sergej Lawrow: Vielleicht sollen alle „Ochsen“ sein? Ansonsten sollen alle „Jupiter“ sein?

Frage: Ich möchte Sie zitieren: „Wenn die EU die Notwendigkeit des gegenseitig respektvollen Dialogs mit Russland nicht versteht, werden wir gezwungen sein, die Gespräche mit ihnen zu stoppen“. Was meinten Sie damit?

Sergej Lawrow: Ich habe das nicht so gesagt. Ich sagte, dass bei uns sich eine Frage nicht einfach darüber stellt, ob „Business as usual“ möglich ist, sondern ob „Business“ mit der EU überhaupt möglich ist, die sogar nicht von oben herab, sondern ziemlich arrogant Russland betrachtet, fordert, auf alle Sünden, die der EU zufolge von uns begangen wurden, zu antworten. Wir haben eigene Verfassung, Gesetze, Mechanismen.

Quelle:

Außenministerium der Russischen Föderation