Kalter Staatsstreich in Ankara

TürkeiMit der heute im türkischen Parlament durchgedrückten Aufhebung der Abgeordnetenimmunität von mehr als einem Viertel der ParlamentarierInnen führt der immer autoritärer agierende Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan das Land am Bosporus geradewegs auf den Weg einer erneuten Institutionalisierung des Faschismus in Form einer offen terroristischen Präsidialdiktatur.

Um dies zu erreichen, hatte der »neue Sultan von Ankara« das Land in einen nationalistisch-chauvinistischen Taumel gejagt und mit Rückendeckung der NATO-Partner und deren erklärter »starken Solidarität« bereits letzten Sommer seinen schmutzigen Krieg gegen Kurdistan, die kurdische Befreiungsbewegung und die revolutionäre Linke entfesselt, einen offenen Straßenterror entfacht und im Anschluss der Presse und jeglicher Opposition den Krieg erklärt und einen faktischen Ausnahmezustand über das Land verhängt. Städte wie Diyarbakir, Silopi, Cizre, Silvan, Nusaybin, Van … wurden militärisch belagert, »gesäubert« und teils regelrecht dem Erdboden gleichgemacht. Tausende fielen dem türkischen Staatsterror seither zum Opfer. Hunderttausende wurden vertrieben bzw. sind auf der Flucht.

Mit der heutigen Aufhebung der Abgeordnetenimmunität dürfte sich Erdogan der letzten parlamentarischen Barriere seines Präsidialprojekts entledigt haben. Ein kalter Putsch, der sich vor allem gegen die linke pro-kurdische HDP richtet, die seinem Präsidialregime bisher den Weg versperrte. 50 der 59 HDP-Abgeordneten droht mit diesem Coup nun der Verlust ihrer Abgeordnetenmandate und Gefängnis. Die Fraktion könnte jetzt beinahe geschlossen in Untersuchungshaft wandern. Mit den Mandatsverlusten der Abgeordneten, mit denen auch ihre Partei die Sitze im Parlament verliert, kann die HDP nunmehr de facto aus dem Parlament gefegt werden.

Mit diesem Handstreich kommt der für seine dreckige Flüchtlingsabwehr von der EU mit Milliardenzahlungen dotierte Schlächter am Bosporus auch der benötigten Zweidrittelmehrheit für die Einführung seines Präsidialregimes näher. Faktisch freilich agiert der AKP-Führer bereits im Stile eines Präsidialdiktators und brüstet sich dessen auch offen. So bekundete er bereits im letzten August vor Anhängern: »Ob man es akzeptiert oder nicht, das Regierungssystem der Türkei hat sich verändert. Was wir nun tun sollten, ist die rechtlichen Rahmenbedingungen unserer Verfassung dieser De-Facto-Situation anzupassen.« Denn: »Es gibt einen Präsidenten mit De-Facto-Macht in unserem Land, nicht einen symbolischen«, so Erdogan weiter, der sein Präsidialregime später unverhohlen mit dem Nazi-Faschismus verglich: »Ein Präsidialsystem (kann) sehr gut bestehen. Es gibt … auch Beispiele in der Geschichte. Sie sehen das Beispiel dazu in Hitler-Deutschland.«

Eine abermals erbärmliche und sich damit in die unsäglichste Linie des Sozialdemokratismus einreihende Rolle gab diesbezüglich die kemalistische, sozialdemokratisch orientierte CHP ab. So war zwar der größte Teil ihrer Abgeordneten gegen die putschistische Immunitätsaufhebung, und auch deren Vorsitzender Kemal Kilicdaroglu erblickte in der Aufhebung ein gegen die Verfassung gerichtetes Mittel zur Ausschaltung des Parlaments – was ihn aber nicht daran hinderte, zu erklären, dass er trotzdem zustimmen werde.

Faşizme geçit yok! Ji Faşîzm re re tune! Kampf dem Faschismus in jedem Land!
Hoch die internationale Solidarität!

Quelle: KOMintern / RedGlobe