KP Türkei: Brief aus der Türkei an die Völker der Welt

Kommunistische Partei In der Nacht vom 15. Juli erlebten wir einen Putschversuch in der Türkei. Trotz aller Kuriositäten, dunklen Seiten, Unklarheit über seinen Initiatoren und den Widersprüchen in den Aussagen der Tatverdächtigen, war dies ein realer Putschversuch.

Dass Fethullah Gülen, dessen weit verzweigte Verbindungen innerhalb der USA-Regierung bekannt sind, hinter den Putschisten stand, ist unumstritten. Darüber hinaus kristallisieren sich einige Indizien heraus, die zum Pentagon und zur CIA führen.

Es ist im Interesse unseres Volkes, dass dieser Putsch erfolglos geblieben ist. Wäre er erfolgreich gewesen, sähen sich die werktätigen Massen, die bereits unter allerlei denkbaren Problemen des kapitalistischen Systems leiden, vor schwereren und zerstörerischeren Bedingungen gestellt. Dass die Putschisten eine NATO-treue, islamistische Weltanschauung pflegen; dass sie sowohl selbst eine enorme Kapitalmacht darstellen wie auch seit mehreren Dekaden den Zielen von internationalen Monopolen dienen, darf nicht vergessen werden.

Ein anderer Punkt, der nicht in Vergessenheit geraten darf, ist die Tatsache, dass Fethullan Gülen als Kämpfer im „Verein des Kampfes gegen Kommunismus“ auf die politische Bühne getreten ist. Die Gründung dieses Vereins wurde in den 1960er Jahren von der CIA initiiert. Das interessante und bittere an dem Ganzen ist die gemeinsame ideologische wie politische Wurzeln der Putschisten und ihrem Hauptziel, dem Erdogan. Islamismus, Anti-Kommunismus und Verbundenheit zur kapitalistischen Klasse charakterisieren auch Erdogan und auch er übernahm genauso wie Fethullah Gülen eine wichtige Rolle in den Nahost-Plänen vor allem der USA.

Die Spannungen zwischen Erdogan und den USA sowie manchen europäischen Ländern basieren auf mehrere Gründe. Vordergründig kann man den Misserfolg in Syrien, Erdogan´s Aufheizung der Spannungen in der Türkei, seine Unkontrollierbarkeit sowie den breiten Spielraum, den er sich auch mit der Unterstützung seiner Wählerschaft verschaffen konnte, benennen. Nun werden diese Spannungen ein Teil des Kampfes zwischen Russland und der USA sowie ihren Verbündeten, hinter dem eine tiefe ökonomische wie politische Konkurrenzsituation steht.

Die Putin-Regierung nähert sich dem Erdogan und seinen Freunden, die sich in einem Überlebenskampf befinden und sowohl innen- wie auch außenpolitisch immer mehr isoliert sind, mit Zuckerbrot und Peitsche und ermuntern sie zum Austritt aus der NATO oder zumindest zur Distanzierung von ihrer Belagerungspolitik gegenüber Russland.

Eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Regierungsmitgliedern beschuldigen die USA sowie EU mit harten Worten und fordern offen: „Wir müssen mit Russland kooperieren“. Sicherlich ist dies zurzeit nicht die Wahl der türkischen Bourgeoisie, sondern ein Resultat der Suche der regierenden, von Angst getriebenen Clique nach einem sicheren Hafen.

Die Beseitigung der ökonomischen, politischen, und militärischen Beziehungen der Türkei

insbesondere mit den USA und Deutschland sind nur durch eine sozialistische Revolution möglich.

Ein Richtungswechsel innerhalb des heutigen Systems erhöht die Wahrscheinlichkeit von Chaos, Konflikt sowie Bürgerkrieg und Krieg.

Die aktuellen Entwicklungen weisen auf ein zähes Feilschen zwischen der jetzigen Regierung und den USA sowie der EU. Die türkische Bourgeoisie ergreift in dieser Phase immer mehr die Initiative und die systemkomforme Opposition übernimmt die Rolle eines Vermittlers.

Andererseits ist die Türkei in eine Entwicklung geraten, in der das Recht außer Kraft gesetzt ist und in der die Entscheidungen sowie die Rekonstruktion des Staates allein in der Hand einer kleinen, regierenden Clique sich befinden. Von den angeblich auf die Putschisten begrenzten Verhaftungen und Suspendierungen werden –auch wenn es noch nicht eine größere Dimension erreicht hat- immer mehr die fortschrittlichen-, revolutionären-, kommunistischen Kreise betroffen, die seit Jahren gegen Gülen-Sekte und ähnlichen islamistischen Organisationen gekämpft haben.

Unter diesen Umständen appelliert die Kommunistische Partei (Türkei) an die Völker, die

Organisationen der Arbeiterklassen, die revolutionäre und die kommunistischen Kräfte der Welt:

1. Ihr müßt euch weder an die Seite von dem gescheiterten Putschisten Fethullah Gülen, noch an die der jetzigen Regierung stellen. Die Putschisten haben einen blutigen, verräterischen und hinterhältigen Plan umgesetzt. Die jetzige Regierung ist eng mit diesen Putschisten verwandt und sie tyrannisierte jahrelang gemeinsam mit ihnen unser Volk. Die, mit denen ihr euch solidarisieren solltet, sind die Abermillionen von Werktätigen, die unter der kapitalistischen Ausbeutung leiden, sowie deren politische Vertreter.

2. Die von den internationalen Medien fortwährend geführte Debatte darüber, ob dies ein realer Putschversuch war oder nicht, ist eine Falle, in die wir nicht tappen sollten. Es sollte mehr über die Nuklearwaffen in der Militärbasis Incirlik; die verdeckten Operationen der NATO; über das Wie und in wessen Auftrag Gülen das finstere, dem kapitalistischen Klasse dienende Netzwerk in etwa 100 Ländern aufbauen konnte; über die gewinnbringende Bande zwischen dem islamistischen Erdogan und den „säkularen“Europäern; über den Ausverkauf von öffentlichen Ressourcen an die internationalen Monopole und über die unbarmherzige Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie der Werktätigen debattiert werden.

3. Man muss gegen jegliche Einmischung der imperialistischen Zentren und jedem Versuch von bunten Revolutionen sein, auch wenn diese gegen eine völkerfeindliche Regierung gerichtet zu sein scheint. Es gibt keine guten Kapitalisten und bösen Kapitalisten. Die Unaufrichtigkeit der Deklarationen von der NATO und der EU, in denen ihre Sorge um die Freiheiten und die Demokratie in der Türkei zur Sprache kommen, ist offensichtlich. Die gesellschaftliche Befreiung in der Türkei wird das Werk des werktätigen Volkes sein.

4. Genauso unrichtig ist die Betrachtung von Putins Russland als ein Retter. Das Verhalten der Russischen Föderation gegenüber der Türkei ist eine durchaus pragmatische und es orientiert sich an den Interessen der russischen herrschenden Klassen. Putin, der vor einem Jahr Erdogan über allem lobte, erklärte ihn nach Abschuss eines russischen Kampfjets zwischenzeitlich zum Kriegsverbrecher, überreichte sogar den Vereinigten Nationen eine Mappe voller Beweismittel gegen ihn. Die Liebe zwischen Putin und Erdogan war einige Wochen vor dem Putschversuch wieder aufgeflammt. Die Zukunft unseres Landes werden wir nicht dem Konkurrenz- und Ausgleichskampf innerhalb des imperialistischen, kapitalistischen Systems überlassen.

5. „Gemäßigter Islam“ ist ein von den USA ausgedachter, leerer Begriff. Glaubens- sowie private und öffentliche Religionsübungsfreiheit sind Menschenrechte. Die Religion muss aber aus allen Bereichen der Politik und der Justiz herausgehalten werden. An diesem Punkt gibt es keine „gemässigten“ Ausnahmen. Jede Bewegung und jede Person, die in der Türkei im Namen der Religion, oder mit den Referenzen der Religion Politik macht, ist schuldig. Am Beispiel der Türkei kann die wichtige Funktion des Laizismus verstanden und seine lebenswichtige Rolle für die Unterdrückten aufgezeigt werden. Diese sich bietende Gelegenheit sollte aber den rassistischen, ausländerfeindlichen Ideologien kein Platz bieten, sondern im Lichte und Verbund mit den Errungenschaften der Menschheit zum Kampf gegen Kapitalismus genutzt werden.

6. Die Geschichte der Türkei ist die Geschichte der Putsche, der politischen Morde, des religiösen Fanatismus und Militarismus. Die Geschichte der Türkei beinhaltet auch positive Ereignisse. Die Republik Türkei wurde nach dem Sieg in dem in Kooperation mit dem jungen Sowjet Russland gegen die imperialistische Besatzung geführten Kampf gegründet. Seit 1923 wurden ständig Kämpfe gegen den Krieg, den Gewalt und gegen die kapitalistische Ausbeutung geführt; die Arbeiterklasse realisierte massenhafte Aktivitäten; ein international anerkannter Kommunist, Nazim Hikmet stammte aus diesem Land. Auch die legitime Volksbewegung gegen diese Regierung, die sich vor drei Jahren bildete, deutet auf die Existenz einer anderen Front in der Türkei, die zurzeit wie eine Bühne der Auseinandersetzung von zwei islamistischen Cliquen erscheint. Wir rufen euch auf, diese Arbeiterfront in der Türkei zu folgen, euch mit ihr zu solidarisieren, und ihre hiesige

Stimme zu sein. Dem Geld, der Diktatoren und Putschisten der Monopole setzen die Werktätigen, revolutionären Intellektuelle und kommunistische Kämpfer ihre Internationalismus-Tradition entgegen.

Nieder mit dem Imperialismus.

Die Putsch- und Interventionszentrum NATO und die imperialistische EU müssen aufgelöst werden.

Es lebe das Streben der Menschheit nach Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit.

Kommunistische Partei (Türkei)