Hungerstreik kurdischer Aktivisten entwickelt sich zu Massenprotest in der Türkei

Pressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 05.03.2019

Der Hungerstreik der HDP-Abgeordneten Leyla Güven gegen die Isolation Abdullah Öcalans hält seit mittlerweile 118 Tagen an. Güven, die ihren Protest am 7. November im Gefängnis von Amed (Diyarbakir) aufnahm, fordert die Gewähr regelmäßiger Kontakte zu Öcalan, der als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage gilt. Mit ihrer Aktion hat sie eine Protestbewegung initiiert, der sich bisher hunderte Menschen angeschlossen haben. In den türkischen Gefängnissen waren es bis zum 1. März 331 Gefangene aus PKK- und PAJK-Verfahren, die sich im unbefristeten Hungerstreik befanden. Vor vier Tagen wurde die Aktion auf alle Gefängnisse ausgeweitet. In Straßburg haben sich am 17. Dezember 14 Menschen der Aktion angeschlossen. Auch in Toronto, Newport, Kassel, Nürnberg, Duisburg, Genf und weiteren Städten sind Aktivisten in den Hungerstreik getreten. Der HDP-Aktivist Nasır Yağız ist in der südkurdischen Stadt Hewlêr (Erbil) seit 105 Tagen im Hungerstreik. In vielen anderen Städten finden befristete Solidaritätsaktionen statt.

Die Position der deutschen Bundesregierung und des Europarats

Während sich der türkische Staat bemüht, alle öffentlichkeitswirksamen Aktionen zum Hungerstreik gewaltsam zu unterbinden, herrscht in Europa überwiegend Schweigen. Vor zwei Monaten wurde die Bundesregierung vom Bundestagsabgeordneten der Partei DIE LINKE, Michel Brandt nach der Isolation Öcalans und den Streiks befragt. Die Bundesregierung antwortete am 16. Januar: „In seinem Bericht aus dem vergangenen Jahr äußert das Antifolter-Komitee klare Kritik an der Abschottung der auf Imrali Inhaftierten. Die türkische Regierung wird darin aufgerufen, Besuche von Verwandten und des Rechtsbeistands zu ermöglichen und Beschränkungen des Umgangs der Häftlinge untereinander abzubauen. Die Bundesregierung begrüßt diese Forderungen.“ Seitdem hat die Bundesregierung offensichtlich keinerlei Anstrengungen unternommen, Druck auf die Türkei zur Erfüllung der Forderungen nach Aufhebung der Isolation Öcalans auszuüben.

Die Hungerstreikenden machen darauf aufmerksam, dass die Türkei als Mitglied des Europarats zur Einhaltung der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention auch in Bezug auf Inhaftierte verpflichtet ist. Um die deutsche Bundesregierung dazu zu bewegen Druck auf die türkische Regierung und den Rat der Europäischen Union auszuüben, werden ab Mittwoch, dem 6. März die in Deutschland ansässigen Familienangehörigen der Hungerstreikenden eine mehrtägige Mahnwache vor dem Bundeskanzleramt in Berlin durchführen.

Hintergrund des Hungerstreiks

Der Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung befindet sich seit seiner Verschleppung im Februar 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer. Der letzte Besuch seiner Anwälte fand 2011 statt. Seit dem Abbruch der Friedensverhandlungen mit der PKK durch die türkische Regierung im Jahr 2015 wird Öcalan von der Öffentlichkeit abgeschottet. Nach dem letzten Familienbesuch im September 2016 war sein Bruder Mehmet Öcalan erstmalig wieder am 12. Januar 2019 für ein 15-minütiges Gespräch auf Imrali. Die Hungerstreikenden erklärten anschließend, dass ihre Forderung damit nicht erfüllt sei. Sie fordern Bedingungen für Öcalan, in denen er als Vorsitzender einer legitimen Bewegung frei leben und arbeiten kann, um so zur Lösung der kurdischen Frage beizutragen.

Quelle:

Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.