Morde, Paramilitarismus und Santrich – Frieden in Kolumbien?

Wir wollen ein paar kurze Worte zur aktuellen Situation in Kolumbien, vor allem aber auch zur Anordnung des Obersten Gerichtes zur Festnahme von Jesús Santrich verlieren. Jetzt, wo Jesús Santrich, der über ein Jahr lang durch falsche Zeugen und ein inszeniertes Gerichtsspiel inhaftiert war, und er zurecht durch die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden in die Freiheit entlassen wurde, nicht zum Gerichtstermin kam, spielen sich die Justiz und die Rechte auf, als würde er den Friedensprozess sabotieren. Klar ist doch, die Anordnung zur erneuten Festnahme lag beim Gericht schon in der Schublade und durch sein Nichterscheinen entging er dieser erneuten Festnahme. Für das Gericht und die kolumbianische Rechte ist es nun ein gefundenes Fressen, den Friedensprozess weiter zu sabotieren. Alles ist natürlich Kalkül, auch dass Jesús Santrich nicht zu seiner Festnahme gekommen ist. Wir begrüßen nicht seine Flucht, verstehen aber, dass er sich nicht erneut dieser Justizposse unterzieht.

Wie der Frieden, abgesehen von dem Fall Santrich, noch so aussieht, zeigen die letzten Vorfälle. Die Morde an ehemaligen FARC-Kämpfer*innen nehmen zu, so gab es gestern gleich zwei Morde an wiedereingegliederten Kämpfern im Cauca. Es traf Carlos Yunda, ermordet in der Gemeinde Corinto und Weimar Galíndez, ermordet in der Gemeinde Tambo. Damit steigt die Zahl der getöteten FARC-Mitglieder auf fast 140 seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens. Dies zeigt deutlich, wie wenig die Regierung für den Schutz der sich entwaffnenden Organisation macht. Gestern beklagte auch Carlos Lozada, Senator der FARC, einen Plan, dass Mitglieder der FARC und Führungspersonen ermordet werden sollen. Hinzu kommen eine Erstarkung des Paramilitarismus und die erschreckende Zahl von mehr als 600 ermordeten sozialen Aktivisten im ganzen Land in nur zwei Jahren. Hinzu kommt eine desaströse sozioökonomische Situation, die Ursachen des Neoliberalismus in Kolumbien. Fehlt noch zu fragen, was mit den Hunderten von politischen Gefangenen passiert? Darunter auch noch akkreditierte FARC-Kämpfer.

Zuletzt gab es auch Bomben von paramilitärischen Gruppen an öffentlichen Universitäten. In einer Erklärung der Águilas Negras wurden studentische Gruppen bedroht. Und generell nehmen die Bedrohungen und Einschüchterungen gegen die linke Opposition zu. Dies hat auch mit dem rechten Präsidenten Duque und der kolumbianischen Oligarchie zu tun, die in der Öffentlichkeit einen hetzerischen Ton gegen den Frieden pflegen. Wenn es also derzeit so schlecht um den Frieden und die Einhaltung des Abkommens bestellt ist, wer will es dann übel nehmen, wenn auch auf der linken Seite immer mehr Menschen glauben, dass alles eine Farce ist und eine Grundskepsis bleibt, ob die Regierung alles Nötige für den Frieden gibt? Wer will es also dann Jesús Santrich übel nehmen, wenn er einer erneuten juristischen Inszenierung als Bauernopfer des Friedensprozesses entflieht? Für den 26. Juli wird erneut zu großen Mobilisierungen für den Frieden und das Leben aufgerufen. Wir werden sehen, ob eine starke Zivilgesellschaft den nötigen Druck auf die Regierung erzeugen kann…

Quelle:

Kolumbieninfo – Widerstand in Kolumbien