Díaz-Canel: Kuba will mehr erreichen

(Stenographische Versionen-Staatsrat)

Lieber Armeegeneral Raúl Castro Ruz, Erster Sekretär des Zentralkomitees der Partei;

Compañeros Machado und Lazo;

Abgeordnete;

Landsleute:

Gerade in dem Jahr, in dem wir den 150. Jahrestag des Beginns der Unabhängigkeitskriege Kubas begehen, und als Ausdruck dessen, dass wir in der Gegenwart den revolutionären Kampf fortsetzen, der uns seit mehr als anderthalb Jahrhunderten kennzeichnet, findet diese historische Sitzung der Nationalversammlung der Volksmacht statt.

Neben der Begutachtung der Abrechnung des Staatshaushaltes vom vergangenen Jahr hat dieses Treffen aus zwei fundamentalen Gründen enorme Bedeutung: die Billigung des Verfassungsentwurfs der Republik und die Vorstellung des Ministerrats des Landes.

Vor etwas mehr als drei Monaten habe ich in diesem Raum vor Ihnen und vor dem kubanischen Volk die ehrenvollste und herausforderndste aller Aufgaben angenommen, die ich hatte: die Präsidentschaft des Staats- und des Ministerrats, eine Position, die bis dahin nur zwei Männer innehatten, deren persönlicher Werdegang gleichzeitig die Geschichte der Revolution darstellt.

Fidel, aus der Ewigkeit, in der er jetzt weilt, war das wiederkehrende Bild während der Minuten, die der feierliche Akt am 19. April dauerte. In jenen Momenten dachte ich immer wieder an ihn: ich wertschätzte noch besser seine unvergleichliche Größe als Staatsmann des Kontinents und der Welt, erinnerte mich an seine unerschöpflichen politischen und humanistischen Lehren, erkannte noch mehr seine Fähigkeiten als Revolutionsführer an und nahm als mein eigenes sein festes Credo im Sinne Martís an, wonach aller Ruhm der Welt in einem Maiskorn Platz hat.

Raul, der meinen Arm hochhob, gab mir damals die Gewissheit, einen Führer zu haben, klar und unermüdlich, dessen Unterstützung ich nicht einen Tag aufgehört habe zu spüren. Ich bin also ein glücklicher Präsident, nicht nur wegen des hervorragenden Volkes, dem ich zu dienen habe, sondern wegen der Einzigartigkeit derer, die mir vorausgegangen sind. Wie kann ich also ihr Vertrauen rechtfertigen?

Alles, was wir in diesen Monaten getan oder versucht haben zu tun, ist auf das grundlegende Ziel gerichtet, Kuba zu dienen, mit offenem Ohr und offenen Augen, wie es uns Raul gebeten hat, und im Geiste eines Satzes von Fidel, den er im Februar 1959 aussprach, als er in einem bescheidenen Dorf im Osten des Landes die Menschen fragte: „Was würdet Ihr, die ihr diese Forderungen stellt, tun, wenn Ihr an der Macht wäret? (…) Ihr würdet die Probleme lösen, (…) weil Ihr wir seid und wir, die wir Ihr sind, sind an der Macht.“

Wissen Sie, welche Forderungen das Volk in jenem Dorf stellte? Häuser, Arbeit, Schulen, Lehrer, Krankenhäuser, Ärzte …

Die Revolution war kaum einen Monat alt und der Plan, sich dem galoppierenden Elend zu stellen, das Millionen von Kubanern von den elementaren Vorzügen einer modernen Gesellschaft ausschloss, war bereits im Gange.

Jede Anstrengung heute scheint unbedeutend gegenüber den großen Leistungen jener Jahre. Der Weg war kein Rosenbeet. Er musste unter allen Risiken gebahnt werden, die es mit sich brachte, in einem Land zu leben, zu arbeiten und zu schaffen, das unter Bedrohung wuchs. Aber wir schafften es. Bei all unseren Mängeln, Bedürfnissen und Fehlern übertreffen wir die Nationen mit ähnlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten in praktisch allen Indizes der menschlichen Entwicklung. Und wir wollen mehr erreichen!

Das ist es, was wir mit der tiefgreifenden Reform unserer Verfassung beabsichtigen, die unbedingt aktualisiert werden muss, um die Institutionen zu stärken und mit ihnen das Wirtschafts- und Sozialmodell, das vom sechsten und siebten Parteitag bestätigt worden ist.

Eine glückliche Gelegenheit, die uns zwingt, uns als Nation zu überdenken und unter Beteiligung aller in den Schoß unseres Wesens vorzudringen, inspiriert von jenen Männern und Frauen, die Guáimaro verewigten, eine Provinzstadt von Camagüey, die Martí für heilig erklärte, weil in ihr die erste kubanische Verfassung entstand.

Wir haben das Verfassungsprojekt der Republik in mehreren Sitzungen diskutiert. Das vorausgehende Studium und die in diesen Tagen vorgenommene Debatte sind sehr nützlich und hilfreich gewesen. Eine leidenschaftliche, engagierte, kritische, patriotische und bereichernde Debatte, die vom Humanismus Fidels und Rauls, von der revolutionären Sensibilität und der historischen, kulturellen und wissenschaftlichen Argumentation im Wesen der Nation zentriert wurde. Sie hat die Arbeit des Ausschusses gewürdigt, dessen Aufgabe es war, unter Führung des Armeegenerals den Verfassungsentwurf auszuarbeiten und vorzustellen.

Auf Vorschlag eines Abgeordneten wurde die Debatte auch mit einem lebhaften „Aché“ unterstützt.*

Erneut spüren wir mit gesundem Stolz, dass wir auch in diesem Parlament Kuba sind.

Wir können feststellen, dass es sich um ein Projekt handelt, das nach der Volksbefragung und dem Referendum dazu beitragen wird, die Einheit der Kubaner um die Revolution zu stärken.

In den kommenden Tagen wird in jeder der Provinzen die Schulung der ausgewählten Vertreter beginnen, um den Prozess der Volksbefragung durchzuführen.

Diese Ausübung der direkten Beteiligung des Volkes erlangt die größte politische Relevanz und wird eine weitere Reflexion dessen sein, dass die Revolution auf der echtesten Demokratie beruht.

Die aktive und bewusste Teilnahme an der Diskussion über das Verfassungsprojekt der Republik bedeutet eine hohe Verantwortung für unser gesamtes Volk.

Jeder Kubaner wird seine Meinungen frei äußern und dazu beitragen können, einen Verfassungstext zu erreichen, der die Gegenwart und die Zukunft des Landes widerspiegelt.

Jenen, die uns in der Hitze des Kampfes um die Freiheit mit mehr Moral und Schamgefühl als Waffen zur Bekämpfung des Gegners gegründet haben und die dank dessen siegten, dass ihnen das Sein mehr bedeutete als das Haben, verdanken wir den staatsbürgerlichen nationalen Akt, der uns die erneuerte Verfassung als eine einigende, moralisierende und kräftigende Übung der Seele des Landes wiedergeben wird.

Nun liegt es an uns, den Institutionen und Einrichtungen der Bildung und Erziehung, dass das neue Werk dazu dient, dass unsere Kinder und Jugendlichen sowie die weniger jungen Menschen die Geschichte der Verfassungen erforschen und das Volk mit dem Grundgesetz vertrauter wird.

Wir müssen ermöglichen und darauf dringen, dass alle Teile der gegenwärtigen kubanischen Gesellschaft dieses Grundgesetz kennen, um die Überzeugung zu bekräftigen und zu festigen, dass wir ein Volk sind, das auf dem beschwerlichen Weg der für unsere Wirtschaft härtesten Jahre nicht den Kompass der Werte verloren hat, die uns seit 150 Jahren aufrecht erhalten.

Compañeras und Compañeros:

Wie wir auf der konstituierenden Sitzung im April beschlossen haben, kam es mir gestern zu, Ihnen einen Vorschlag der Zusammensetzung des Ministerrates zu unterbreiten, der zu mehr als 30% erneuert wird.

Unter den Vizepräsidenten des Ministerrats verbleiben Kader mit Erfahrung, Verdiensten und Anerkennung für die jahrzehntelange Arbeit im Dienst der Revolution. Befördert wurden Ines Maria Chapman Waugh, eine mutige, intelligente und dunkelhäutige Frau, und Roberto Morales Ojeda, ein fähiger und standhafter Compañero, die über mehrere Jahre hinweg die Aufgabe hatten, einem Institut bzw. einem Ministerium vorzustehen und dabei gute Ergebnisse erzielten, unabhängig von der Komplexität und den hohen Anforderungen beider Institutionen.

Die anderen Mitglieder der Regierung bestehen aus Compañeras und Compañeros, die aufgrund der in diesen schwierigen Jahren erzielten Ergebnisse in ihren Ämtern bestätigt werden, was die notwendige Erfahrung und Kontinuität dieses Führungsorgans absichert, das sich gleichzeitig verjüngt und erneuert, indem junge Menschen mit nachgewiesener Erfolgsbilanz und in voller Entwicklung in ihrer Arbeit als Führungskräfte befördert werden.

Ebenso beschloss der Staatsrat vor wenigen Tagen die Ernennung einer jungen Mestizin, der Compañera Yamila Ojeda Peña, an die Spitze der Generalstaatsanwaltschaft der Republik.

Wie man sieht, entsprechen die Änderungen in der Zusammensetzung des Ministerrats den Grundsätzen der von der Partei beschlossenen Kaderpolitik.

Wir beglückwünschen alle, die in ihre wichtigen Aufgaben befördert oder darin ratifiziert wurden und zugleich halte ich es für gerecht, vor dem Parlament das Engagement und die gehaltene Einstellung gegenüber der Pflicht jener anzuerkennen, die heute ihren Ämtern enthoben wurden und neue Aufgaben übernehmen.

Aufgrund der Komplexität der internationalen Lage, insbesondere in unserer Region, die auf der kürzlich in Havanna abgeschlossenen Sitzung des Sao Paulo Forums ausführlich analysiert wurde sowie aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Landes wird das oberste Regierungsorgan seine Arbeit in einer schwierigen Lage ausführen müssen.

Das Verhalten der Wirtschaft in der ersten Hälfte schloß mit einem moderaten Wachstum des BIP von 1,1%, was, obwohl sehr gering, bei so vielen negativen Faktoren doch ermutigend ist.

Eine angespannte Situation bleibt in der Außenfinanzierung bestehen aufgrund der Nichterfüllung der geplanten Einnahmen aus dem Export, dem Tourismus und der Zuckerproduktion und aufgrund der Schäden, die durch die lang anhaltende Dürre, gefolgt von den verheerenden Auswirkungen des Hurrikans Irma sowie später dem Auftreten von starken Regenfällen verursacht worden sind, was alles das Eintreffen von Rohstoffen, Ausrüstungen und Anlagen beeinträchtigt hat.

Diese Situation zwingt uns, in der zweiten Jahreshälfte zusätzliche Kontrollmaßnahmen in den wichtigsten Posten zur Sicherstellung des Plans 2018 zu treffen, die darauf abzielen, die Entscheidungen über Importe und andere Devisenausgaben mit größerer Genauigkeit zu erarbeiten. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir an die Nutzung und den effizienten Einsatz der verfügbaren Ressourcen appellieren.

Unter diesen Umständen muss die Anstrengung vervielfältigt werden und darf nicht auf die Erfüllung der im Plan ausgedrückten Hauptziele verzichtet werden, insbesondere jener, die damit verbunden sind, die grundlegenden Dienstleistungen für die Bevölkerung und die Entwicklung zu garantieren. Dies setzt voraus, die Arbeit auf die strenge Kontrolle und rationelle Nutzung aller materieller und finanzieller Ressourcen zu lenken, über die wir verfügen, überall, wo dies möglich ist, zu sparen und jegliche Verschwendung zu unterbinden. Diese Haltung muss bei den Regierungskadern in sämtlichen Bereichen, in erster Hinsicht bei den Mitgliedern des Ministerrates, zur Verhaltensregel werden.

Die Bewältigung dieser Situation wird es ermöglichen, die Grundlagen für die Festlegung eines Plans für die Wirtschaft im Jahr 2019 zu schaffen, der objektiv, realistisch und nachhaltig ist, von soliden und realisierbaren Grundlagen ausgeht und der trotz der Schwierigkeiten die Entwicklung der für Wachstum und Fortschritt vorrangigen Aktivitäten nicht zum Stoppen bringt, während er gleichzeitig zur allmählichen Wiederherstellung der finanziellen Glaubwürdigkeit des Landes beigeträgt.

Der von Ihnen angenommene Ministerrat wird sich voll und ganz dem Volk und der Revolution hingeben, mit einem kollektiven Führungs- und Leitungsstil. Er wird unermüdlich tätig sein, schaffen und arbeiten, um den Forderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden, in ständiger und enger Verbindung mit unseren bescheidenen, großzügigen und edlen Menschen, um ihre Teilnahme an den revolutionären Aufgaben und bei der Entscheidungsfindung zu erleichtern.

Wir werden zur Ausübung eines Arbeitsstils ermutigen, der das Management der Zentralregierung stärker dem Bereich der kommunalen Ebene annähert, wodurch die Eliminierung von bürokratischen Hindernissen und Mechanismen, die Entscheidungen hinauszögern, gefördert wird. Grundpfeiler der Regierungstätigkeit werden die Rechenschaftslegung der politischen Führer und Regierungsinstitutionen, die systematische Überprüfung der Entwicklungsprogramme, die Verteidigung des öffentlichen Gesundheitswesens, der Bildung und der nationalen Kultur, der sozialen Kommunikation, der Informatisierung, der Forschung und Innovation sein.

Wir rufen dazu auf, einen ethischen Kampf gegen die Korruption, Verbrechen, Süchte und soziale Disziplinlosigkeit zu führen und werden ihn weiter fortsetzen.

Wir wissen, dass wir auf die volle Unterstützung der Bürger zählen, wenn wir die verderbliche Straffreiheit krimineller Netze bekämpfen, die defizitäre Produkte anhäufen und mit den Preisen spekulieren, um sich ohne Skrupel oder Grenzen auf Kosten subventionierter Ressourcen des Staates zu bereichern, zu Lasten der Bedürfnisse jener, die weniger haben und diejenigen sind, die die Revolution am meisten unterstützen.

Den Kampf gegen die Erscheinungsformen der Korruption und schlecht geleistete Arbeit sollten wir nicht als eine Aktion ansehen, die nur der Regierung oder der Polizei zukommt. Die entschlossene Konfrontation dieses Phänomens ist die Aufgabe der ganzen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, die nicht zulassen darf, dass einige Wenige die großen Errungenschaften an sich reißen, die die Revolution für sie gewann.

Ich bekräftige, was ich in der konstituierenden Sitzung dieser Legislaturperiode gesagt habe: „In allen Organismen, Organisationen und Institutionen müssen wir unter ständiger Verteidigung der Einheit, der Disziplin, der umfassenden Analyse und der Anforderungen handeln, um zu erreichen, dass die enormen Potentiale und Möglichkeiten, die in unserer Gesellschaft vorliegen, sich in konkreten und greifbaren Ergebnissen des Wachstums, der Entwicklung und des Wohlstands äußern und erhalten werden.“

Kurz gesagt, gibt es nicht mehr viel zu sagen, aber viel zu tun; sehr viel zu lösen, zu korrigieren, zu stärken und zu schaffen.

Unsere Verpflichtung besteht darin, mit Ergebnissen zu Ihnen zurückzukehren, wenn das Land den 60. Jahrestag der Revolution begeht.

Es wird nicht leicht sein, denn das Haupthindernis für unsere Entwicklung, die wirtschaftliche, kommerzielle und finanzielle Blockade und ihre enormen extraterritorialen Auswirkungen, ist immer noch da, wie der Dinosaurier von Monterroso.

Aber war es nicht noch schwerer für die Patrioten, die vor 150 Jahren in den Busch zogen und sogar ihre Häuser verbrannten, um das Kolonialreich zu vertreiben? Und für diejenigen, die vor 65 Jahren fast ohne Waffen und ohne Kampferfahrung eine Festung angriffen ? Oder für diejenigen, die geschlagen, aber nie besiegt wurden, vom Gefängnis ins Exil gingen, vom Exil auf die Granma, von der Granma in die Sierra und von der Sierra und dem Untergrundkampf zur Eroberung der Hoffnung schritten, die wir seit 60 Jahren verteidigen?

Kubanerinnen und Kubaner:

Mit einer solchen Geschichte können wir nur weiter darauf bestehen, zu kämpfen und zu kämpfen, immer bis zum Sieg.

Vaterland oder Tod! Wir werden siegen!

(Ovation.)

 

Quelle:

Granma Internacional