Kubas Präsident kündigt Energiesparplan an

Der September wird in diesem Jahr auch ohne Hurrikan ein schwieriger Monat für Kuba. Gestern Abend kündigte Präsident Miguel Díaz-Canel in einer Sondersendung des kubanischen Fernsehens Sparmaßnahmen an, die in Folge akuter Engpässe bei der Lieferung von Treibstoff notwendig wurden. Neben Stromabschaltungen wird es auch zu Einschränkungen beim Transport kommen, ab Oktober soll sich die Situation jedoch wieder schrittweise normalisieren.

Um Punkt 18 Uhr 30 ging gestern in Havanna die Sonderausgabe des allabendlichen „runden Tischs“ (span.: „Mesa redonda“) direkt aus Havannas Revolutionspalast auf Sendung. Neben Díaz-Canel war fast die gesamte Führungsriege des Landes zu Gast.  Stunden zuvor hieß es, der Präsident wird am Abend eine wichtige Ankündigung zur Energiesituation im Land machen. Auf Kuba versteht man darunter naturgemäß: schlechte Neuigkeiten. In Washington nutzte man die Verunsicherung indes um wenige Minuten vor Beginn des Programms mehrere Twitter-Konten kubanischer Medien zu sperren – darunter auch jenes der Sendung. Es lag also einiges in der Luft im Vorfeld der Ankündigung.

Die fiel dann zur Erleichterung vieler nicht ganz so apokalyptisch aus wie erwartet, doch werden die nächsten Wochen mit Sicherheit zur Feuerprobe für die neue Regierung des Landes. Kuba steht derzeit vor einer akuten Energiekrise, erklärte Díaz-Canel. Schon seit einigen Monaten machen sich Probleme beim Transport und in Form gelegentlicher Stromausfälle bemerkbar. Kubas Ex-Präsident Raúl Castro warnte zuletzt im April angesichts neuer Sanktionen der Trump-Administration vor der schwierigen Lage, welche sich „in den kommenden Monaten weiter verschlechtern“ könne. Genau das wird nun für die kommenden Wochen erwartet. „Seit gestern und bis zum 14. September wird kein einziger Liter Treibstoff zu uns kommen“, so Díaz-Canel.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Machtkampfs in Venezuela planen die USA, Kuba von der Ölversorgung abzuschneiden um „politische Zugeständnisse zu erpressen“, so Díaz-Canel. Konkret geht es um die Unterstützung Havannas für die Regierung von Nicolás Maduro. Bereits vor Monaten haben die USA daher den Druck auf verschiedene Firmen erhöht, die Öl nach Kuba liefern. Obwohl Kuba dafür teilweise das dreifache des normalen Weltmarktpreises zu zahlen bereit ist, wird es aufgrund des Sanktionsdrucks für die Insel zunehmend schwieriger, Lieferanten zu finden um eine stabile Versorgung zu gewährleisten. Die Probleme sind also nicht mit der klammen finanziellen Situation der Insel verbunden, sondern direkt auf US-Sanktionen zurückzuführen. Die gute Nachricht: geplante Lebensmittellieferungen sind nicht in Gefahr, sondern es geht ausschließlich um Treibstoff, darunter vor allem Dieselkraftstoff.

Nach dem 14. September sollen erst wieder Anfang Oktober neue Öltanker in Havanna anlegen. In der Zwischenzeit muss rationiert werden. Die Bedingungen hierfür seien jedoch gegeben, die Pläne sorgfältig ausgearbeitet und nicht improvisiert, so der Präsident. Kuba sei heute ökonomisch deutlich breiter aufgestellt als zu Zeiten der Sonderperiode, welche in Folge der Auflösung der Sowjetunion den Beginn einer mehrjährigen schweren Rezession auf Kuba markierte. Heute kann das Land im Unterschied zu damals rund 40 Prozent des benötigten Rohöls selbst fördern. Das meiste davon wird für die Stromerzeugung genutzt. Anders als zu Beginn der 1990er Jahre drohten daher keine lang anhaltenden Stromausfälle, die Situation sei „konjunkturell“ und werde sich ab Anfang Oktober wieder „langsam normalisieren“, wie der Präsident versicherte. Doch was bedeutet das für die kommenden Wochen und wie sieht das Sparprogramm der Regierung aus?

  • Es muss mit Stromabschaltungen, auch bei Privathaushalten gerechnet werden. Ein Phänomen, das trotz der latenten Energieknappheit seit Beginn dieses Jahres bisher weitgehend vermieten werden konnte. Die Abschaltungen sollen jedoch rechtzeitig bekannt gegeben werden. Die Bevölkerung wird dazu aufgerufen, bei der Umsetzung der Sparmaßnahmen mitzuhelfen und den Stromverbrauch in Zeiten der Spitzenlast (zwischen 11 und 13 Uhr sowie zwischen 18 und 22 Uhr) zu reduzieren.
  • Um weiteren Kraftstoff bei der Stromerzeugung einzusparen werden in den kommenden Wochen die energieintensivsten Industrien ihre Produktion pausieren. Staatliche Angestellte werden nach Möglichkeit in dieser Zeit von zu Hause aus arbeiten, was den Stromverbrauch in Büros und Fabriken weiter senken und den ÖPNV entlasten soll.
  • Wie Wirtschaftsminister Alejandro Gil Fernández bekannt gab, wird es für den Rest des Monats vor allem bei der Versorgung mit Diesel Probleme geben, weshalb die Zuteilungen dieses Kraftstoffs entsprechend priorisiert werden müssen. Konkret bedeutet das die Pausierung einiger Investitionsprojekte sowie eine neue Priorisierung der Zuteilungen mit Schwerpunkt auf dem öffentlichen Nahverkehr statt für private Verbraucher. Die Tankstellen sollen jedoch weiterhin beliefert werden.
  • Insbesondere im Transportsektor sind eine Reihe von Anpassungen vorgesehen, wie der zuständige Minister Eduardo Rodríguez Dávila erklärt:
    • In den kommenden Wochen wird der Schienenverkehr gegenüber dem Bus und Überland-LKW („camiones“) Priorität genießen. Aber auch hier gibt es reduzierte Fahrpläne, welche in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden. Die täglichen Fährverbindungen zur Insel der Jugend werden davon explizit nicht betroffen sein.
    • Es wird landesweit Kürzungen beim ÖPNV geben, wobei medizinische Transporte ausgenommen sind.
    • Der Fernbus-Fahrplan wird stark eingedampft, allerdings soll mindestens ein Bus pro Tag von Havanna aus in die Provinzen starten.
    • Fahrer privater PKWs werden dazu aufgefordert Personen mitzunehmen. Entsprechende Inspektoren sollen das zur Not auch einfordern können.
    • Grundsätzlich gilt: jeder soll irgendwie vom Fleck kommen, allerdings werden viele der gebuchten Reservierungen erst später abgearbeitet werden.

Das obige Sparprogramm sei unter Vorsitz von Raúl Castro am Morgen des gestrigen Mittwochs vom Politbüro verabschiedet worden. „Seien Sie versichert, dass wir an allen Ecken und Enden daran arbeiten, die beste Antwort auf diese Situation zu liefern“, erklärte Díaz-Canel in seiner Ansprache. Kuba werde seine Prinzipien nicht verraten und sich keinem politischen Druck beugen, stattdessen gelte es jetzt mit „Kreativität, Disziplin und Solidarität“ auf die Krise zu reagieren. Hierfür werde man die Erfahrungen aus der Sonderperiode nutzen. Díaz-Canel forderte die Kubaner dazu auf, solidarisch und verantwortungsvoll zu handeln, was auch für die Fahrer privater PKWs gelte: „Hier soll nichts und niemand leer fahren“, so der Präsident.

Gleichzeitig gelte es, die Bevölkerung adäquat über alle bevorstehenden Einschränkungen zu informieren. Von seinen Kadern verlangte der Präsident „größtmögliche Sensibilität und Verständnis“. Im Laufe des heutigen Tages sollen die Details des Sparprogramms in einer landesweiten Videokonferenz unter Beisein aller Regierungsebenen bis hin zu den einzelnen Gemeinden erörtert werden. Weitere Informationen sollen zeitnah folgen. Die Situation werde bald vorüber sein und sei eine „wichtige Übung“ für das Land. „Hier wird sich niemand ergeben!“, schloss Díaz-Canel die Sendung in Anspielung an einen Satz aus dem Guerillakrieg. Die erste „Schlacht“ des neuen Präsidenten hat begonnen.

Quelle:

Cuba heute