Was tut Kuba gegen den Klimawandel?

Weltweit geht heute die „Fridays for Future“-Bewegung für mehr Klimaschutz auf die Straße. Auf Kuba spürt man indes die Folgen der vom Menschen verursachten Klimaerwärmung jedes Jahr stärker in Form von Wetterextremen wie Tropenstürmen und anhaltenden Dürreperioden. Doch wie steht es eigentlich um den Klimaschutz auf der sozialistischen Insel?

Nachhaltigkeit aus der Not 

Auf den ersten Blick sieht Kubas Umweltbilanz ziemlich düster aus: mehr als 80 Prozent der elektrischen Energie werden heute noch immer mit veralteten russischen Schwerölkraftwerken erzeugt. Wenn in Havanna der Wind ungünstig weht, ziehen die Rauchschwaden der nahegelegenen Ölrafinnerie in die Stadt und die Straßen der Insel werden von gleichermaßen durstigen wie rußigen Dieselmotoren beherrscht, die jeden Emissionsstandard sprengen. Dennoch zählt Kuba heute laut den Vereinten Nationen zum nachhaltigsten Land der Welt. Wie ist das möglich?

Will man diese Frage beantworten, hilft ein Blick in die jüngere Geschichte. Mit dem Wegfall der Sowjetunion als wichtigstem Handelspartner im Jahr 1991, geriet Kuba in eine mehrjährige schwere Energiekrise. In deren Folge kollabierte der gesamte Personentransport, wurde die Landwirtschaft mangels Kunstdünger und Treibstoff auf Ökologie umgestellt – bis heute. Stadtgärten sprossen wie Pilze aus dem Boden und tragen seither zur Gemüseversorgung im urbanen Raum bei.

Doch auch politisch fand in diesen Jahren ein Umdenken statt. Fidel Castro, der schon immer ein Meister darin war aus der Not eine Tugend zu machen und Niederlagen in Siege zu verwandeln, erkannte früh die Dringlichkeit des Klimaschutzes. „Der Mensch ist vom Aussterben bedroht!“, warnte er 1992 auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro. Die Lebensweise der reichen Industriegesellschaften sei mit den natürlichen Lebensgrundlagen unseres Planeten unvereinbar und alles andere als nachhaltig, so Castro. Auf Kuba wurde im selben Jahr der Umweltschutz in die Verfassung aufgenommen, was damals ein absolutes Novum war.

Kuba: das beste Beispiel für Nachhaltigkeit?

Doch auch nach dem Ende der schweren Jahre der „Sonderperiode in Friedenszeiten“, als sich der Transport wieder zu erholen begann und der Tourismus zulegte, blieb Kuba diesem Wert treu. Zusammen mit Ecuador, Jamaika, Algerien und und vier weiteren Ländern zählte die sozialistische Insel im Jahr 2015 zu den acht Staaten, welche die zwei Schlüsselindikatoren der nachhaltigen Entwicklung erfüllen: ein ökologischer Fußabdruck, der einen Ressourcenverbrauch von weniger als einer Erde (wenn alle Menschen so leben würden) ermöglicht, bei gleichzeitig hohem Grad menschlicher Entwicklung (gemessen am HDI). Kuba ist von diesen acht Ländern das einzige, welches über einen „sehr hohen Grad“ an menschlicher Entwicklung verfügt. Oder umgekehrt ausgedrückt: kein anderes Land mit „sehr hoher menschlicher Entwicklung“ wirtschaftet heute nachhaltiger.

Trotz dem relativ geringen Anteil erneuerbarer Energien von unter fünf Prozent verbrauchen Kubaner heute relativ wenig Ressourcen. Das liegt natürlich vor allem am generell niedrigen Konsumniveau, welches durch die US-Blockade zusätzlich verschlechtert wird und auch für Unmut sorgt. Darüber hinaus ist aber Umweltschutz auch Teil offizieller Regierungspolitik und nicht wenige Praktiken, die aus der Not geboren wurden, haben sich als klimaschonend und zukunftsweisend erwiesen.

So wird Obst und Gemüse auf Kuba meist regional und saisonal verzehrt. Wie selbstverständlich bringt man beim Einkauf auf dem Bauernmarkt, wo die allermeisten Frischeprodukte über den Tresen wandern, seine eigenen Gefäße mit. Plastiktüten sind auf Kuba zwar verfügbar, werden jedoch auch aufgehoben und vergleichsweise sparsam eingesetzt. Auch nennen nur wenige auf der Insel ein Auto ihr eigen. Tatsächlich wird für den Verkauf von Neuwagen eine 500 bis 800 prozentiger Preisaufschlag fällig, dessen Erträge direkt in den ÖPNV-Ausbau fließen. Dieser wird vom Staat stark subventioniert, wobei insbesondere der effiziente Schienenverkehr begünstigt wird. Fahrradverkehr wird von staatlicher Seite gefördert. Auch wenn die horrenden Autopreise bei den Kubanern verhasst sind: kein anderes Land der Welt betreibt wohl eine derart stark auf den ÖPNV ausgerichtete Verkehrspolitik wie Kuba.

Generell spielt die fragile Energiesituation für Kubas Nachhaltigkeitskonzept eine wichtige Rolle. Die Insel muss rund die Hälfte der benötigten Treibstoffe importieren und hatte bis Anfang der 2000er Jahre mit regelmäßigen Stromausfällen zu kämpfen. Sparen steht deshalb schon seit längerem an der Tagesordnung. Aus diesem Grund startete Fidel Castro im Jahr 2006 mit der „Energierevolution“ eine der umfangreichsten Austauschaktionen für private Konsumgüter seit dem Sieg der Revolution 1959. Alle Glühbirnen der Insel wurden binnen weniger Monate durch Energiesparlampen ersetzt, alte US-Kühlschränke durch moderne chinesische ersetzt und der Einsatz von effizienten Reiskochern gefördert. Zudem wurde ein Stromtarif eingeführt, der anders als bei uns einen gewissen Grundbedarf stark verbilligt zu Verfügung stellt, Vielverbraucher aber progressiv stärker zur Kasse bittet.

Das Programm war erfolgreich: in den Folgejahren gingen die Stromausfälle stark zurück und die Energieeffizienz der Insel stieg weiter an. Heute sieht man in Havanna schon vielerorts moderne LED-Straßenbeleuchtung, während die Insel mittlerweile Induktionsherde in Eigenregie fertigt. Der Ausbau erneuerbarer Energien erfolgt mittlerweile nach einem langfristigen Plan der bis ins Jahr 2030 reicht. Ihr Anteil soll bis dahin auf 24 Prozent anwachsen. Vor allem Biogas, Solar und Windenergie sollen dafür ausgebaut werden.

Klimaschutz als Staatsziel

Auch auf politischem Gebiet hält Kuba Takt. So sind ausländische Investoren heute dazu angehalten, Lösungen für Müllmanagement zu präsentieren und in der Sonderwirtschaftszone von Mariel sollen Fabriken möglichst umweltschonend und mit Solarstrom produzieren. Kubas neue Verfassung, die im April verabschiedet wurde, hat inzwischen über den Umweltschutz hinaus explizit auch den Kampf gegen den Klimawandel als Staatsziel mit aufgenommen. Ein als „Aufgabe Leben“ (span.: tarea vida) bezeichneter Plan legt Maßnahmen fest, mit denen sich Kuba gegen die Folgen des Klimawandels wappnen will. Neben der Bepflanzung von Küstenabschnitten mit Mangroven, was der Erosion vorbeugen soll, zählt dazu auch die Verlagerung von Gebäuden in Strandnähe sowie die Erhöhung der Uferpromenade Malecón in Havanna in Folge des steigenden Meeresspiegels.

Obwohl Kuba selbst kaum zur Erderwärmung beiträgt und aus der Not heraus zur „Insel der nachhaltigen“ wurde, hat das Land heute überproportional unter den Folgen des Klimawandels zu leiden. Während auf der ganzen Welt Demonstranten für die Reduktion von Treibhausgasen auf die Straße gehen, findet auf der Insel – weitgehend unbeachtet von der weltweiten medialen Aufmerksamkeit – derzeit ein unfreiwilliger zweiwöchiger „Klimastreik“ statt: aufgrund neuer Sanktionen gegen Reedereien, die Öl nach Kuba liefern, muss das Land bis Anfang Oktober seine Energie rationieren. Verantwortlich dafür ist ironischerweise einer der größten Emittenten von Treibhausgasen: die Vereinigten Staaten.

Quelle:

Cuba heute