Brandbeschleuniger

Es hat nichts mit Verschwörungstheorie zu tun, wenn wir an dieser Stelle konstatieren, daß der Brandherd Naher Osten wieder einmal kräftig aus dem Ausland geschürt wird. Selbstverständlich sind die aktuellen Unruhen im Iran mit all ihren gewalttätigen Auswüchsen in erster Linie durch eine völlig berechtigte Unzufriedenheit vieler Iraner mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und den sozialen und wirtschaftlichen Problemen entfacht worden.

Sie sind jedoch auch ein Ergebnis der jahrelangen Verleumdungen und der Hetze gegen die im Iran herrschende Ordnung, die vor allem von den USA und von Israel ausgehen, und zu einem großen Teil auch von Saudi-Arabien, das in den westlichen Medien stets genüßlich als »Erzrivale« des Iran bezeichnet wird.

Die USA konnten sich seit dem Sturz des Schah-Regimes, der weit mehr war als eine »Islamische Revolution«, niemals mit den Verhältnissen im Iran anfreunden. Die zeitweilig sehr offen demonstrierte Ablehnung kam mal in direkten militärischen Angriffen oder Provokationen zum Ausdruck, dann wieder durch die Verteufelung der im Iran herrschenden religiösen Ordnung und der sie vertretenden Kaste, dann durch die völlig überzogenen Darstellungen über die Gefährlichkeit des iranischen Atomprogramms und zuletzt durch die Angriffe von Präsident Trump gegen das mit viel Mühe und Geduld erreichte Vertragswerk zu diesem Atomprogramm. Unterhalb der Oberfläche waren Geheimdienste tätig, um jede nur denkbare Entspannung in den bilateralen Beziehungen unverzüglich zu untergraben.

Israelische Politiker, insbesondere der reaktionäre Regierungschef Netanjahu, übernahmen in dem aggressiven Chor gegen den Iran seit Jahren die zweite Stimme. Und daß israelische Geheimagenten nicht nur rücksichtsloser, sondern am Ende auch effektiver sind als ihre Kollegen aus den USA, ist eine seit Jahren bekannte Tatsache, die ganz sicher auch auf die Wühltätigkeit im und gegen den Iran zutrifft.

In selten offener Deutlichkeit äußern sich nun auch Trump und Netanjahu über die Unruhen im Iran. Trump kommentiert mehrmals täglich die Ereignisse – wobei man nicht sicher sein kann, daß der Mann schon verstanden hat, wo der Iran auf seinem Globus zu finden ist. Wahrscheinlich hat man ihm gesagt, dort regiere der Teufel und wolle ihm, Trump, den Platz auf den obersten Thron der Weltherrscher streitig machen.

Möglicherweise hat er sich auch mit seinen saudischen Freunden konsultiert, mit denen er lukrative Geschäfte macht. Denen paßt es überhaupt nicht, daß in unmittelbarer Nachbarschaft ein Staat, in dem Allah auf andere Weise angebetet wird als im saudischen Königreich, ungestraft Ölgeschäfte machen darf. Überhaupt ist die saudische Ölmonarchie, seit der bisherige Kriegsminister in Personalunion auch noch erster Thronfolger ist, deutlich aggressiver geworden.

Alle diese Akteure, die USA, Israel und Saudi-Arabien, sind zudem äußerst unzufrieden mit der Entwicklung in Syrien, wo der Iran an der Seite Rußlands dafür gesorgt hat, den Kriegsbrandherd deutlich einzudämmen. Die Unterstützung der Demonstranten und der Randalierer im Iran durch die USA, die offene Forderung Netanjahus nach einem Sturz der iranischen Regierung wirken als Brandbeschleuniger. Und obwohl die Richtung des Feuers längst nicht absehbar ist, kommt auch aus der EU-Hauptstadt Zuspruch für die Regierungsgegner. Bei einer erhofften Neuaufteilung der Region darf man schließlich nicht abseits stehen – auch um den Preis eines neuen Brandherdes.

Uli Brockmeyer

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek