Deutsche Daten für türkische Bomben?

Foto: Airwolfhound / flickr (CC BY-SA 2.0) Nutzen die türkische Armee oder sogar die Terrormiliz »Islamischer Staat« die von deutschen Spionageflügen über Syrien gewonnenen Daten für Angriffe auf Kurden und die syrische Armee? Darauf deutet ein Dialog hin, der sich am gestrigen Mittwoch im Bundestag zugetragen hat. In der Fragestunde hatte die Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion, Sevim Dağdelen, nach der »Nutzung von Informationen aus der Daten­bank der Anti-IS-Koalition durch die Tür­kei und Saudi-Arabien gegen nicht geneh­me Gruppen« gefragt. Maria Böhmer vom Auswärtigen Amt versuchte, eine konkrete Antwort durch Phrasendrescherei zu vermeiden. Letztlich legten ihre Ausflüchte jedoch die Annahme nahe: Die Bundesregierung kann zumindest nicht ausschließen, dass die Türkei auf die von den Bundeswehr-Tornados gesammelten Daten zurückgreift, um sie für Attacken auf andere Feinde als den IS zu nutzen.

Wir dokumentieren nachstehend den vom Büro Sevim Dağdelen verbreiteten Auszug aus dem Bundestagsprotokoll:

Vizepräsident Peter Hintze: Ich rufe die Frage 8 der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke, auf:

Inwieweit bedeutet die Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (Bun­destagsdrucksache 18/7265), wonach „innerhalb der Ope­ration Inherent Resolve durch die Gruppe von Staaten, die an Luftoperationen teilnehmen (u.a. auch die Türkei), ein gemeinsamer Informationsraum betrieben“ wird, sodass al­les, „was Aufklärungswert hat …an alle Partner weitergege­ben“ wird, das heißt, alles, „was von Nutzen ist, wird in die Datenbank der Anti-IS-Koalition eingespeist“, und es „gibt keinen Grund dafür, dass die Türkei bestimmte Bilder nicht sehen darf“ (www.sz-online.de/nachrichten/tornados-flie­gen-ueber-syrien-3292761.html), dass die Bundesregierung nicht definitiv ausschließen kann, dass Staaten wie die Tür­kei und Saudi-Arabien die Erkenntnisse aus dieser Datenbank gegen ihnen nicht genehme Gruppen, wie die der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) und die kurdische Arbeiterpartei (PKK), nutzen (www.sz-online.de/nachrichten/tornados-flie­gen-ueber-syrien-3292761.html), und kann die Bundesregie­rung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Erkenntnisse aus dieser Datenbank an von ihnen unterstützte Terrormilizen, wie der Ahrar al-Scham, in Syrien zur Bekämpfung syrischer Re­gierungstruppen und kurdischer Volksschutzeinheiten weiter­gegeben werden?

Frau Staatsministerin, bitte.

Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Gerne. – Frau Dağdelen, die Mitglieder der Allianz teilen das Ziel, die IS-Terrorherrschaft in Syrien und im Irak zu beenden. Zur Gewährleistung der Mandatskon­formität des Einsatzes deutscher Tornados ist ein deut­scher Stabsoffizier, ein sogenannter Red Card Holder, im Hauptquartier in al-Udeid, Katar, eingesetzt. Dieser hat ein Vetorecht bei der Beauftragung deutscher Tornados, um so den mandatskonformen Einsatz, das heißt die Auf­klärung von IS-Zielen zu deren Bekämpfung und zum Schutz von ziviler Infrastruktur, sicherzustellen.

Alle Aufklärungsergebnisse bedürfen zudem einer na­tionalen Auswertung und einer anschließenden Freigabe. So wird gewährleistet, dass die Weitergabe von Erkennt­nissen ausschließlich der Bekämpfung des IS sowie dem Schutz von Zivilpersonen und -einrichtungen dient. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die zu diesem Zweck gesammelten Aufklärungsergebnisse ausschließ­lich dafür verwendet werden.

Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage? – Bitte schön.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Staats­ministerin, laut Berichten hat der IS bei seinem Angriff auf die syrische Stadt Deir al-Sor letzte Woche erstaun­lich genaue Informationen über die Stellungen der syri­schen Regierungsarmee gehabt. Der IS soll Frauen, Kin­der und auch Soldaten verschleppt haben.

Sie haben gerade gesagt: Wir, die Bundesregierung, gehen davon aus, dass die zu diesem Zweck gesammel­ten Aufklärungsergebnisse nur für die genannten Ziele und nicht für etwas anderes benutzt werden. – Ich möchte gerne wissen, wie Sie das verifizieren. Habe ich es rich­tig verstanden, dass Sie als Bundesregierung nicht aus­schließen können, dass diese Daten auch anders verwen­det werden können, zumal der Sprecher der Bundeswehr sagt, dass es natürlich keinen Grund dafür gebe, dass die Türkei bestimmte Bilder nicht sehen dürfe? Das, was von Nutzen ist, wird in die Datenbank der Anti-IS-Koalition eingespeist. Das heißt, laut dem Sprecher der Bundes­wehr werden alle Daten, die die Tornados aufnehmen, auch an den NATO-Partner Türkei weitergegeben.

Vizepräsident Peter Hintze: Frau Staatsministerin.

Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin Dağdelen, ich hatte es schon erläutert, und Sie haben auch eine Kleine Anfrage dazu gestellt; die Antwort ist Ihnen am 14. Januar zugegangen. Wir haben darin sehr deutlich das gesagt, was ich eben auch gesagt habe, nämlich dass die Datenverwendung man­datskonform geschieht.

Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE): »Mandatskonform« schließt nicht aus, dass die Türkei die Daten, die über die deutschen Tornado-Einsätze ge­wonnen werden, auch in ihrem Kampf gegen die Kurden im Irak oder in Syrien benutzen kann.

Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, ich wiederhole das gern, aber ich schät­ze: Es wird auch weiterhin so sein, dass Sie diese Frage stellen, nicht nur heute, sondern auch beim nächsten Mal und beim übernächsten Mal, weil Ihnen eine bestimmte Antwort vorschwebt. – Ich muss Ihnen sagen: Wir haben das durch diese Mandatsbezogenheit gewährleistet und stellen es damit auch sicher.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie haben gar nichts gewährleistet!)