Rede des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, auf der gemeinsamen Pressekonferenz nach den Verhandlungen mit dem Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Staffan de Mistura, am 20. April 2018 in Moskau

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir freuen uns über die Gelegenheit, mit dem Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Syrien, Staffan de Mistura, und seinem Team eine weitere Verhandlungsrunde durchzuführen. Wir haben uns vor nicht allzu langer Zeit (Ende März) hier in Moskau getroffen. Seitdem haben sich ziemlich ernste Ereignisse ereignet, deswegen haben wir uns heute zu einem sehr schwierigen und akuten Zeitpunkt in der Entwicklung der Situation in und um Syrien getroffen. Ich meine natürlich die Folgen dessen, was am 14. April geschah, als die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich auf viele Stellungen der Arabischen Republik Syrien Raketen- und Bombenangriffe vereitelt haben. Wie wir bereits vielmals gesagt haben, geschah dies unter absolut erfundenen Vorwänden, die gegen die fundamentalen Prinzipien des Völkerrechts verstoßen. Diese aggressive Aktion hat vieles verkompliziert, einschließlich das Mandat, das im Auftrag des Generalsekretärs der Vereinten Nationen von seinem Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, übernommen wurde. Nach dem Sotschi-Kongress, dem Gipfel der Präsidenten Russlands, der Türkei und des Iran in Ankara am 4. April dieses Jahres sind wir der Wiederaufnahme eines realen zwischensyrischen Dialogs in Genf, näher gekommen, vor allem was die Verfassungsreform betrifft, deswegen bombardierten diese drei von mir erwähnten Länder am 14. April nicht nur erfundene Chemieobjekte, sondern auch die Verhandlungen in Genf.

Wir haben heute betont, dass es keine Alternative zur politischen und diplomatischen Überwindung der gegenwärtigen Krise auf der Grundlage der Resolution 2254 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und der Beschlüsse des Kongresses des Syrischen Nationalen Dialogs in Sotschi gibt, der zwölf Schlüsselprinzipien der Regelung festlegte. Ich möchte daran erinnern, dass sie ursprünglich von Herrn de Mistura vorgeschlagen wurden. Sie basieren auf der Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität der Arabischen Republik Syrien.

Wir sprachen ausführlich über unsere gemeinsamen Anstrengungen mit dem Iran und der Türkei als Garanten des Astana-Formats. Offensichtlich bestehen wir alle trotz der erwähnten Aggression am 14. April weiter darauf, dass der Verfassungsausschuss in Genf unter der Mitwirkung von Herrn de Mistura und in Abstimmung mit anderen Garantstaaten baldmöglichst gestartet wird. Wir gehen davon aus, dass dies ein Prozess sein muss, der von den Syrern selbst geführt und durchgeführt wird. Es sollte auf der freien Willensbekundung des syrischen Volkes basieren und auf die Verabschiedung einer Verfassung abzielen, an die sich freie Wahlen anschließen, an denen alle Syrer, die das Recht darauf haben, unter UN-Aufsicht teilnehmen.

Wir sind mit unseren Freunden von der UNO darin einig, dass es keine militärische Lösung für das syrische Problem gibt. Offensichtlich sind alle Versuche, ein solches Szenario umzusetzen, mit den schlimmsten Folgen verbunden – sowohl für Syrien selbst als auch für die regionale und internationale Stabilität. In diesem Zusammenhang haben wir unsere ernsten Besorgnisse geäußert, dass die Oppositionellen, die die sogenannte „Nationale Koalition syrischer revolutionärer und oppositioneller Kräfte“ vertreten, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich dazu aufgerufen haben, ihre aggressiven militärischen Aktionen fortzusetzen und eine militärische Operation auf das gesamte Gebiet Syriens auszudehnen. Dies ist eine absolut inakzeptable Erklärung. Wir hoffen, dass diejenigen, die auf diese Gruppe von Oppositionellen Einfluss nehmen und sie kontrollieren, die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und sie zur Ordnung rufen werden.

Wir haben humanitären Fragen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Gebiete Syriens, die von Terroristen befreit wurden, werden weiter unter die Kontrolle der Zentralbehörden zurückgebracht, und sie benötigen Hilfe. Es ist sehr wichtig, umfangreiche Wiederaufbauprojekte durchzuführen. Das wichtigste Problem besteht darin, dass einige Geldgeber nicht daran interessiert sind, Hilfe zu leisten, sobald die Möglichkeit verschwindet, politische oder sogar militärische Dividenden zu erhalten. Wir haben die Hoffnung geäußert, dass die Vereinten Nationen und ihre spezialisierten Strukturen nicht von den Problemen und Schwierigkeiten des syrischen Volkes abrücken und in strikter Übereinstimmung mit ihrem Mandat handeln werden.

Wir möchten, dass die Vereinten Nationen dort aktiver werden, wo Hilfe beim Wiederaufbau von Wohngebäuden, Infrastruktur und Einrichtungen der Volkswirtschaft benötigt wird. Wie ich bereits sagte, handelt es sich um die von Terroristen und Extremisten befreiten Gebiete in Aleppo, Ost-Ghouta, Rakka, Deir ez Zor, in die Flüchtlinge und Intern Vertriebene zurückkehren. Die Frage zum Ausbau der UN-Präsenz in Syrien verdient besondere Aufmerksamkeit, darunter im Hinblick auf die Einholung von zuverlässigen Informationen. Wir können diese Situation nicht annehmen, wenn einige oder andere UN-Strukturen in ihren Berichten, öffentlichen Erklärungen, auf Informationen beruhen, die von fremden Nicht-UN-Quellen in Syrien erhalten wurden. Und das sind sehr oft die sogenannten Aktivisten und Vertreter der NGOs zweifelhafter Herkunft, die von Staaten finanziert werden, die Damaskus feindselig gegenüberstehen. Daraus ergibt sich ein verzerrtes und voreingenommenes Bild von der Situation.

Wir haben heute offen über all das gesprochen. Wir und unsere UN-Kollegen sind daran interessiert, unsere gemeinsamen Anstrengungen von dem zu befreien, was wir geopolitische Spiele nennen, und uns auf die grundlegenden Interessen des syrischen Volkes in voller Übereinstimmung mit der Resolution 2254 konzentrieren, die das wichtigste Mandat der Tätigkeit des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Staffan de Mistura, ist.

Ich bin der Ansicht, dass es heute ein sehr nützliches Gespräch war. Wir haben ein Verständnis dafür, wie wir diese schwierige Situation überwinden können, und wir werden unsere Kontakte fortsetzen.

Quelle:

Außenministerium der Russischen Föderation