Über Tote nur Gutes?

Man soll nichts über Tote schreiben, wenn es nichts Gutes zu schreiben gibt, meinten sinngemäß schon die alten Römer. Eigentlich entsprach das genau der Absicht dieser Zeitung in Bezug auf die Nachricht vom Tod des US-amerikanischen Senators John McCain. Doch angesichts der Beileidsbekundungen und Lobhudeleien von Staatenlenkern aus (fast) aller Welt sind nun doch einige Bemerkungen angebracht.

Genau genommen gibt es wohl kaum etwas im Leben des John McCain, das einer Würdigung wert wäre. Darum scheint es zunächst erstaunlich, solche Überschriften in den Zeitungen zu lesen wie »Ein Mann von Ehre«, »Ein wahrer Patriot« (Tageblatt) oder »Amerikas letzter Held« (Luxemburger Wort).

John McCain war »ein aufrechter, mutiger Mann«, schreibt das »T« in einem Kommentar. »Sowohl als Soldat wie auch als Politiker«, fügt der Autor hinzu. Da sind allerdings Zweifel angebracht. John McCain hat als Major der Marineflieger aktiv am schmutzigen Krieg der USA gegen Vietnam teilgenommen. Das macht ihn in den Augen seiner Bewunderer zu einem »Helden«. Angesichts der immensen Schäden, die Kriegspiloten der USA in Vietnam angerichtet haben, angesichts der Tausenden toten Männer, Frauen und Kinder, angesichts der noch heute nachwirkenden Zerstörungen durch Napalm und »Agent Orange« kann man diese Luftpiraten jedoch nur schlicht als Kriegsverbrecher bezeichnen.

Helden sehen anders aus. Nämlich so wie der Leutnant der vietnamesischen Volksarmee, der Major McCain aus dem Wasser eines Sees in Hanoi gefischt hat, nachdem der Pilot samt seiner todbringenden Maschine von der vietnamesischen Luftabwehr bei einem der Terrorangriffe abgeschossen worden war. Oder die vietnamesische Krankenschwester, die dem Major, der sich beim Absturz über dem Himmel von Hanoi Arme und Beine gebrochen hatte, erste Hilfe geleistet hat. Auf jeden Fall nicht wie Herr McCain, der Jahre später seine Lebensretter – sie hatten ihn auch vor wütenden Angriffen der Einwohner Hanois in Schutz genommen – völlig ignorierte und vor aller Welt behauptete, »der Vietcong« – so die abfällige Bezeichnung der US-amerikanischen Aggressoren für »vietnamesische Kommunisten« – habe ihn gefoltert.

Diese Aussage machte der wackere Kriegsheld, als er sich um die Präsidentschaft der USA bewarb – da konnte er kaum zugeben, daß er zwei einfachen Vietnamesen sein Leben verdankte. Und die Selbstdarstellung als Kriegsheld mit einer Prise »Folter« macht sich gut im Lebenslauf, wenn man das höchste Amt im Land der Freien und der Heimat der Tapferen anstrebt. Zeit seines Politikerlebens war John McCain ein Scharfmacher, einer der geifernden »Falken« im Establishment, wenn es um die Politik der USA ging, vor allem um die Außenpolitik. Mit seinem späteren Wahl-Feind Donald Trump einte ihn das Ziel, »Amerika« wieder »groß« zu machen. Irgendwann zerstritten sich die Wahlkämpfer McCain und Trump, als es darum ging, wer denn nun von beiden »der Größte« sei. Das gipfelte, wie in diesen »besseren Kreisen« üblich, auch in persönlichen Beleidigungen, wobei Trump deutlich schärfer austeilte.

Die Nachrufe, die nun in den bürgerlichen Medien zu lesen und zu hören sind, sollen uns weismachen, der Rechtsaußenpolitiker John McCain sei der »Anti-Trump« gewesen, eine Art Gegenentwurf zum gegenwärtigen USA-Präsidenten, womöglich ein besserer Staatschef. Da wäre es wirklich besser gewesen, nichts zu schreiben.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek